Von hohen Gipfeln (Pica d’Estats: 3.143 m) über einen Nationalpark mit rund 200 Seen zu erloschenen Vulkanen. Bedeutende Feuchtgebiete für das ökologische Gleichgewicht (die Aigüamolls de l’Empordà und das Ebrodelta) oder fantasievolle Gebäude im Modernisme-Stil, dem katalanischen Jugendstil – „Zauberer“ wie Antoni Gaudí oder Josep Puig i Cadafalch prägten die Architektur in Katalonien nachhaltig.
Unterwegs vom Süden zum Norden
Das alles in einer Region mit einer Fläche von kaum 35.000 km2. Und das ist noch nicht einmal alles: über 500 km Mittelmeerküste bietet Katalonien auch noch! Und just jene „Küstenlinie“ zwischen den Terres de l’Ebre im Süden und der Costa Brava im Norden beschreibt dieser Artikel.
Ebro und „Goldküste“
Südlich von Cunit heißt die katalanische Küste allgemein „Costa Daurada“, was „Goldene Küste“ bzw. „Goldküste“ bedeutet. Die Region am Ebrodelta erhielt allerdings eine eigene Bezeichnung: Terres de l’Ebre. Dies hebt den besonderen Charakter dieser Gegend mit ihrem Biosphärenreservat hervor. Ein ideales Ziel für Naturliebhaber aller Art, insbesondere für passionierte Ornithologen. Nicht minder für Gourmets: im Delta wird Reis angebaut, essentieller Bestandteil wahrer Delikatessen – die arrossos (Reisgerichte) sind am Ebrodelta ein kulinarisches Muss!
Von Ulldecona dringt man vom Süden her über die Landstraße N-340 in diesen Landstrich vor. Westlich der N-340 und in Nachbarschaft zu Aragonien liegt der Naturpark Els Ports mit seinen Waldkiefern und Kermeseichen, seinen Iberischen Steinböcken und Gänsegeiern. Ob direkt am Meer oder auch im Hinterland – die Terres de l’Ebre sind gleichermaßen ein Paradies für Anhänger von slow travels, für Naturfans und Gourmets.
Inoffizieller Hauptort der Terres de l’Ebre ist Tortosa. Die Stadt mit ihren knapp 30.000 Einwohnern stellt sich als Resultat ihrer bewegten Geschichte vor: Nach jahrhundertelanger muslimischer Herrschaft und Rückeroberung durch Christen im 12. Jahrhundert, erlebte sie ihre Glanzzeit in der Renaissance. Das alljährliche „Festa del Renaixement“ lässt jene wichtige Periode im ganzen Stadtgebiet wiederaufleben!
Weiße Fischerdörfer
L’Ametlla de Mar ist eines von unzähligen katalanischen Küstendörfern, das sich seinen traditionellen Fischerdorfcharakter erhalten hat. Zweimal im Jahr finden dort die größten Feste in der Region statt: am 2. Februar und am 29. Juni.
Einen weiteren Abstecher wert entlang des katalanischen Mittelmeeres ist L’Hospitalet de l’Infant, lockt die Gemeinde am südlichen Zugang zur Costa Daurada doch insbesondere mit den architektonischen Zeugnissen ihrer reichen Geschichte.
Fährt man in Richtung Tarragona durch den schönen Badeort Cambrils, erscheinen am Horizont plötzlich die gekrümmten Silhouetten einiger Fahrgeschäfte. Sie gehören zur PortAventura World. Der riesige Vergnügungspark wurde 2017 um das Ferrari Land erweitert.
Und so gelangt man nach Tarragona. Die Stadt hat sich ihre beeindruckende römische Vergangenheit bewahrt und in den letzten Jahren Zeit und Geld investiert, um Schmuckstücke wie den Circus Romanus getreu zu rekonstruieren und in das Stadtbild zu integrieren. Kein Besichtigungsprogramm an der Costa Daurada wäre vollständig ohne das ehemalige Tarraco!
Ein eklektisches Ensemble am Mittelmeer
Die letzten 35 Kilometer an der Costa Daurada bis Cunit verlaufen zwischen Burgen wie Tamarit oder relativ unbekannten Ortschaften wie El Roc de Sant Gaietà, die durchaus einen Umweg lohnen. Die in den 1960-er Jahren erbaute Siedlung spiegelt verschiedene architektonische Stile wieder: romanische, gotische oder mudéjar-Elemente mischen sich mit andalusischen Patios oder aber sardischen Häusern. Wer das Poble Espanyol in Barcelona kennt, kann sich El Roc de Sant Gaietà vorstellen – mit einem Unterschied: letzteres liegt direkt am Meer.
Apropos Meer: Unmengen von Stränden für jeden Geschmack: kleine, verborgene FKK-Strände wie Waikiki oder aber lange Sandstrände wie Torredembarra – einschließlich des Naturgebiets Els Muntanyans. Über Cunit geht es weiter an den nächsten Küstenabschnitt: die Costa Barcelona.
Über 100 km Fischerei, Naturparks und Modernisme!
Auch der Hauptort des Landkreises Garraf, Vilanova i la Geltrú, besitzt einen bedeutenden Fischereihafen. Nördlich davon liegt Sitges. Die Kleinstadt ist ein beliebter Urlaubsort für die LGBT-Community aus ganz Europa. Auch für Familien bietet sie zahlreiche Attraktionen und Events. Neben interessanten Museen in Jugendstilarchitektur und diversen Stränden verfügt sie unter anderem über eine Minigolfanlage sowie den kleinen Vergnügungspark Ocio Aventura.
Südlich von Barcelonas Flughafen befindet sich mit dem Llobregatdelta das zweitgrößte Feuchtgebiet Kataloniens. Dort ruhen sich Wasservögel auf ihrer Winterreise von Nordeuropa nach Afrika aus. Mit über 20 Orchideensorten erweist sich die Gegend auch für Botaniker von besonderem Interesse.
Auf halber Strecke: die Hauptstadt
Das friedliche Flussdelta kontrastiert mit der Hektik des benachbarten Barcelona. Die katalanische Metropole verfügt jedoch über zahlreiche Locations zum Ausruhen und Chillen: Vom Wandern auf den Bergen Tibidabo oder Montjuïc bis zu 10 Stadtstränden, die ein Kontinuum auf dieser Mittelmeerroute darstellen. Über die Metropole könnte man natürlich mehrere Bücher schreiben. Was man dort sehen oder unternehmen sollte, findet sich in unserem Artikel.
Ab Barcelona verkehrt die S-Bahnlinie R1 direkt am Mittelmeer entlang in Richtung Maresme. Auch in diesem Landkreis besitzt jedes Dorf seinen individuellen Charakter: darunter Weinberge mit eigener Herkunftsbezeichnung (D.O. Alella) oder – ja, auch hier! – unzählige Architekturbeispiele für den Modernisme. Schließlich ließen sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts viele Mitglieder der katalanischen Bourgeoisie ihre Häuser und Villen im Maresme bauen.
Auf Salvador Dalís Spuren
Blanes mit seinem anmutigen Marimurtra-Garten ist das südliche Einfallstor in die Costa Brava, die sich über Tossa de Mar, Palamós oder Cadaqués bis nach Portbou erstreckt. Cadaqués stellt eine der drei Ecken des sogenannten „Dalí’schen Dreiecks“ (triangle dalinià) dar; ein obligatorischer Zwischenstopp für jeden Fan des berühmten Surrealisten zusammen mit Figueres und Púbol.
Die Landschaft, welche Salvador Dalís Schaffen inspirierte, prägt jede Ecke der Costa Brava. Ein Spaziergang unter majestätischen Kiefern auf den beliebten Camins de ronda ist ein unvergessliches Erlebnis, wobei natürlich auch die Sicht auf das Mittelmeer eine Hauptrolle spielt. Diese Aussicht kann sich sogar in eine „physische Aktivität“ verwandeln, denn die Camins de ronda besitzen eine Art aquatisches Pendant: Auf den Vies braves lässt sich die Küste sogar schwimmend erkunden!
Ob Küste oder Hinterland – die Costa Brava von ihrer schönsten Seite
Die Besichtigung so schmucker Dörfer wie das schon erwähnte Tossa de Mar oder aber Pals, Peratallada, Begur und L’Escala gehören einfach zu jeder Tour an der Costa Brava. In L’Escala befindet sich Empúries. In dieser imposanten archäologischen Lagerstätte erfährt man mehr über Kataloniens griechisch-römisches Erbe. Und nördlich davon befinden sich mit den Naturparks Empordà und Cap de Creus gleich zwei der bedeutendsten Feuchtgebiete an der Costa Brava.
Unsere Mittelmeerreise, die im südlichsten Winkel Kataloniens ihren Ausgang nahm, findet ihr Ende an der Grenze zu Frankreich in Portbou. Im Grenzstädtchen steht übrigens ein Denkmal für einen der wichtigsten Vertreter der sogenannten „Frankfurter Schule“: Auf der Flucht vor den Nazis kam der Philosoph Walter Benjamin hier 1940 unter nie ganz geklärten Umständen ums Leben.
Ein abwechslungsreiches Programm für wirklich jeden Geschmack!
Natur, Kultur, Gastronomie und endlose Strände: Die geschilderte Route kann man – je nach Geschmack – das ganze Jahr über unternehmen. Zu heiß im Sommer? Im Herbst herrschen angenehme Temperaturen! Zu ruhig im Winter? Ein Frühlingsaufenthalt am Mittelmeer ist eine bedenkenswerte Alternative.
So oder so: Sicherheitsgurt anschnallen und gute Fahrt durch Katalonien!