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Geheimnisvolle Templerfestung – Die Burg von Miravet

Die Burg von Miravet hat viele Herren kommen und gehen sehen. Iberer, Mauren, Templer und Johanniter haben auf dem Hügel am Ebro Festungsmauern errichtet, den Blick über das weite Land und den mächtigen Fluss schweifen lassen und geglaubt, dass ihre Festung standhalten werde. Immer wieder fiel die Burg in die Hände neuer Herren, die den Bau erweiterten, verstärkten und modernisierten. Um das Castell de Miravet kämpften während des spanischen Erbfolgekrieges zu Beginn des 18. Jahrhunderts Anhänger der Habsburger und der Bourbonen, während der Carlistenkriege des 19. Jahrhunderts Carlisten und Liberale, während des Bürgerkriegs im 20. Jahrhundert frankistische Truppen und Republikaner. Seine entscheidende Prägung erhielt das Castell de Miravet jedoch in der Zeit zwischen 1153 und 1307 unter der Herrschaft der „Armen Ritterschaft Christi und des salomonischen Tempels zu Jerusalem“. Bis heute gilt das Castell de Miravet als beeindruckendste Templerfestung Kataloniens.

Maurische Festung im Grenzland

Die ältesten Mauern innerhalb der Festung sind Reste einer Iberersiedlung und stammen aus dem 2. Jahrhundert v. Chr. Der Ursprung der heute erhaltenen Burg von Miravet geht jedoch auf die Mauren aus Al-Andalus zurück. Diese errichteten im 11. Jahrhundert hier eine Festung, die bald ausgebaut und erweitert wurde. Die maurischen Herren von Miravet stärkten ihre Burg in der vergeblichen Hoffnung, auf diese Art auch Teile der Grenze ihres Reiches schützen zu können. Doch sie lebten in einem Zeitalter, in dem sich das Machtgefüge zu Gunsten der christlichen Bewohner des Landes verschieben sollte.

Castell de Miravet: Templerburg am Ebro © Servicios Editorials Georama

Game of Thrones – Die Rückeroberung Kataloniens

Im Jahre 1134 starb Alfons I von Aragón, ohne einen Thronfolger zu hinterlassen. Zu Lebzeiten hatte er sich als große Gestalt der Reconquista, der christlichen Rückeroberung der maurisch besetzten Gebiete auf der Iberischen Halbinsel hervorgetan. Sein letzter Wille war es, sein Reich dem Heiligen Land zu vererben, wo wenige Jahrzehnte zuvor im Anschluss an den ersten Kreuzzug die christlichen „Kreuzfahrerstaaten“ entstanden waren.

Der aragonesische Adel hatte jedoch keinerlei Interesse an der Vollstreckung des letzten Willens seines Königs und den damit zwangsläufig verbundenen Veränderungen.  Ein Thronfolger musste her. In Ermangelung von Alternativen wurde Ramiro II, der als Mönch lebende Bruder von Alfons I, aus dem Kloster geholt, zum König gekrönt und wenig später mit Agnes Poitou verheiratet. Mit dieser zeugte Ramiro II seine einzige Tochter Petronella, krönte sie 1137 im zarten Alter von einem Jahr zur Königin von Aragón und zog sich alsbald wieder zurück ins Kloster.

Seiner Verantwortung als Herrscher über Aragón kam er durch ein geschicktes Ehearrangement nach, dass die Position Aragóns und der katalanischen Grafschaften auf der Iberischen Halbinsel stärken sollte. Ramiro II handelte einen Ehevertrag für Petronella mit dem Grafen von Barcelona Raimund Berengar IV aus, der bis zu Volljährigkeit der jungen Königin die Regentschaft im Königreich Aragón führen sollte. Als Resultat dieses Ehevertrages entstand ein Staatengebilde, das als Krone von Aragón schon bald zu einer Großmacht im Mittelmeerraum werden sollte.

Als Papst Eugen III im Jahr 1147 zum zweiten Kreuzzug aufrief, sah Raimund Berengar IV die Zeit für die christliche Rückeroberung der maurischen Taifenreiche im Süden gekommen, die später den Namen Catalunya Nova erhielten. 1148 fielen Tortosa und Lérida (Lleida), 1151 und 1153 fielen Miravet und Siurana als letzte maurische Enklaven auf katalanischem Gebiet. Raimund Berengar IV, der enge Verbindungen zu den Tempelrittern unterhielt und dem Orden auch selbst auf Zeit angehörte, vermachte die Burg von Miravet dem 1119 gegründeten Orden der Armen Ritterschaft Christi und des salomonischen Tempels von Jerusalem.

Ritter und Mönche: Der geheimnisvolle Templerorden

Damit lag Miravet nun in den Händen einer legendären, religiös motivierten militärischen Elite, die ursprünglich angetreten war, um die Pilger im Heiligen Land vor Überfällen zu schützen. Der Orden gewann innerhalb kurzer Zeit an Macht und Einfluss, unterhielt bald Besitzungen in ganz Europa und dem nahen Osten, entwickelte eine frühe Form des Bankwesens und wird von vielen als „erstes multinationales Unternehmen der Welt“ betrachtet. Dieser Reichtum konnte mit der proklamierten Armut der Templer insofern intelektuell unter einen Hut gebracht werden, als jeder Ritter für sich arm blieb, während der Orden als heilige Institution reich wurde. Für die damalige Zeit noch schwerer auf einen Nenner zu bringen war hingegen die Verbindung des Rittertums und seiner militärischen Aufgaben mit dem mönchischen Leben. Mönche durften keine Waffen tragen und man erwartete von ihnen eher einen Märtyrertod als die Anwendung von Kriegs- und Kampfeskunst. In Bernhard Clairvaux, dem Ordensvater der Zisterzienser, fanden die Templer einen prominenten Fürsprecher, dem der Orden die Legitimation durch den Papst verdankte. So etablierte sich die besondere Lebensart des Templerordens, die beträchtliche Auswirkungen auf die Architektur der Burg von Miravet hatte.

Die Burg: Ein kleiner Überblick

Der Burgkomplex ist in einen unteren und einen oberen Bereich mit jeweils unterschiedlichen Funktionen verteilt. Der untere Bereich umfasste u.a. Stallungen, Gärten, Lagerräume und eine Zisterne und diente gleichzeitig als erster Verteidigungsring. Im oberen Bereich lag die eigentliche Burg und das zum Verteidigungssystem gehörende Reduit. So wie bei vielen Templerburgen im Heiligen Land üblich, erstreckte sich dieses über einen Hof, auf dem verschiedene Gebäude so angeordnet waren, dass sie gemeinsam ein nahezu uneinnehmbares Bollwerk bildeten.

Ein Mittelpunkt des Lebens der Templerburg war der Waffenhof. Dieser diente, ähnlich wie ein Kreuzgang im Kloster, der Verbindung unterschiedlicher Bereiche der Oberburg. Ein weiterer Lebensmittelpunkt der Burg waren die Küche und das Refektorium. Hier wurde für alle Bewohner der Burg vom Ritter über die Offiziere bis zu den Dienern und Sklaven das Essen zubereitet, dem die Templer einige Bedeutung zumaßen. Um ihren militärischen Aufgaben gerecht werden zu können, war es ihnen im Gegensatz zu anderen Ordensgemeinschaften erlaubt, dreimal pro Woche Fleisch zu essen und auch ansonsten legte man wert auf eine kräftigende Ernährung. Das an die Küche angrenzende Refektorium mit dem Spitztonnengewölbe war vermutlich schon zur Zeit der Templer der Speisesaal, darauf deutet seine starke Ähnlichkeit mit Refektorien verschiedener Burgen im Heiligen Land, aber auch in nahe gelegenen Templerburgen wie zum Beispiel Montsó oder Peníscola hin. Die religiöse Seite des Templerlebens zeigte sich hier zum Beispiel dadurch, dass während der Mahlzeiten ein Kleriker religiöse Texte vorlas. Und natürlich verfügte Burg Miravet auch über eine eigene Kirche, denn die Ordensregel der Templer schrieb regelmäßige Gebetsstunden und Messen vor. Zur Zeit der Templer besaß die Kirche wertvolle liturgische Objekte, war jedoch entsprechend der Ordensregel der „Armen Ritter“ karg dekoriert. Die Templerkirche hat den Grundriss einer Basilika, auf dem ein spitzbogenförmig zulaufendes Tonnengewölbe aufliegt.
Eine in der Nähe der Kirche gelegene Galerie diente als kleiner Kreuzgang und ermöglichte es außerdem, Tageslicht zum Eingang der Kirche gelangen zu lassen. Diese Galerie war über eine hölzerne Treppe zu erreichen, die abgebaut werden konnte, um die Verteidigung der Beletage mit der Kirche zu erleichtern. In der Architektur von Miravet spiegelt sich die kontinuierliche Verschränkung religiöser und militärischer Notwendigkeiten eindrucksvoll wieder.

Starke Mauern sollten Burg Miravet vor Angreifern schützen. Foto: Albert Torreló auf Flickr, Lizenz: CC BY-SA 2.0

Drei unterschiedliche Mauertypen grenzten die Burg nach außen ab: Das zur Steilwand gelegene Mauerwerk war das bei weitem schwächste, da von dieser Seite keine Bedrohung bestand. Die Mauer des oberen Bereichs bildete mit ihren Türmen ein kompaktes Reduit, während die Mauern an der Nordseite weniger stark waren, die Burg aber von dieser Seite dennoch effektiv gegen Angriffe schützten. Und doch fiel Kataloniens berühmteste Templerburg im Jahr 1308 nach einer langen Belagerung.

Die Welt im Wandel: Das Ende der Templer

Erneut war die Welt im Wandel begriffen. Der bei den Templern hoch verschuldete französische König Philipp IV, drängte die Macht von Adel und Kirche zurück und etablierte ein modernes, frühabsolutistisches Staatswesen. Den beträchtlichen Einfluss des Templerordens, der praktisch die gesamten Bankgeschäfte der Krone kontrollierte, schaltete er aus. 1307 klagte er die Templer kollektiv der Ketzerei, Götzenanbetung und Sodomie an, Jaime II von Aragón zog mit und ordnete eine Belagerung der Festungen des Ordens an. Nach der Auflösung des Templerordens wurde Burg Miravet an den Johanniter-Orden übergeben, der bis ins 19. Jahrhundert hinein Herr der Burg war.

Burg Miravet gilt als die beeindruckendste Templerburg Kataloniens © Miguel Raurich

Ein Ort voller Geschichte(n)

Im 21. Jahrhundert ist Castell de Miravet zum Treffpunkt anderer außergewöhnlicher Herren geworden. Auf Initiative der Spanischen Tolkien-Gesellschaft fungierte die Burg im Mai 2018 bereits zum zweiten Mal als Ort der Zusammenkunft für Hobbits, Elben und Zwerge anlässlich des Treffens des „Herrn der Ringe“. Ohne Zweifel ist und bleibt Miravet ein geheimnisvoller Ort, dessen Mauern wie geschaffen sind, um Geschichten auf sich wirken zu lassen.

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