Vom Mittelalter zurück in die römische Epoche: So eine faszinierende Zeitreise verspricht unsere „Route des Kulturerbes“, die Katalonien von den Pyrenäenhöhen bis zur Küste Tarragonas durchquert. Die Strecke ermöglicht außerdem das Eintauchen in den weltweit geschätzten Modernisme, der katalanischen Variante des Jugendstils. Und noch viel mehr!
Der Ausgangspunkt befindet sich in einem der Täler, die den Nationalpark Aigüestortes i Estany de Sant Maurici umgeben. Das Vall de Boí, ein obligatorisches Urlaubsziel für Naturliebhaber, ist auch wegen seines spektakulären romanischen Erbes eine absolute Besonderheit. Schon die Landschaften des Tales im Wechsel der Jahreszeiten haben einen besonderen Reiz. Die berühmteste Sehenswürdigkeit des Tales sind jedoch die neun Kirchen und Wallfahrtskapellen, die seit dem 11. Jahrhundert seine bildhübschen Dörfer prägen und seit dem Jahr 2000 Teil des UNESCO-Weltkulturerbes sind. Auskunft zu Unterkunftsmöglichkeiten und vieles mehr, um das Vall de Boí in aller Ruhe zu erkunden, wird auf der Webseite des örtlichen Tourismusbüros gegeben.
Südlich von El Pont de Suert geht es weiter über die Landstraße N-260 in Richtung La Pobla de Segur. In Senterada, auf halbem Weg zwischen den beiden gelegen, eröffnet sich eine neue Erkundungsmöglichkeit: Das Vall Fosca („Dunkles Tal“) mit seinen 19 pitoresken Dörfern, das einen weiteren Zugang zum besagten Nationalpark darstellt – diesmal jedoch per Luftseilbahn, die allerdings ausschließlich im Sommer in Betrieb ist. Dadurch wird ein Höhenunterschied von über 400 Metern überwunden, Zugang zu etwa 30 Seen und atemberaubenden Wanderwegen und Ausblicken gewonnen. Das Vall Fosca wird von der Landstraße L-503 durchquert, die parallel zum Fluss Flamisell verläuft.
Zurück auf der N-260 geht die Route über La Pobla de Segur weiter – für Barça-Fans sicherlich interessant zu wissen, dass in diesem Städtchen der ehemalige FC Barcelona-Kapitän Carles Puyol zur Welt kam. Dort befindet sich eine der zwei Endstationen der Eisenbahnlinie „Tren dels Llacs“ — die andere liegt in Lleida. Bequem vom Sitzplatz eines Oldtimer-Zuges aus, der die beiden Gebirgsketten Mont-roig und Montsec durchquert, genießt der Reisende eine wunderbare Landschaft aus Ackerland, kalkreichen Hanglagen und den stillen Gewässern von vier Stauseen.
Die Erkundungstour geht dann mit dem Auto weiter, das man nun über die C-13 nach Tremp steuert. Die Straße verläuft unweit der Zugstrecke — was den Genuss der gleichen Landschaften gewährleistet, durch die sich der Fluss Noguera Pallaresa zieht. Dieser nährt den 11 km langen Stausee Sant Antoni, der den Reisenden während der Fahrt auf der linken Seite begleitet. In einer knappen Viertelstunde erreicht man Tremp (6.000 Einwohner), den Hauptort des Landkreises Pallars Jussà, mit mehreren historischen Kirchen und interessanten Gebäuden der Zivilarchitektur.
Südlich davon ergeben sich zwei Routen: Einerseits kann man nach Westen über die C-1311 nach Mont-rebei fahren. Diese spektakuläre Schlucht mit über 500 Meter hohen Steilwänden wird auch der „Grand Canyon Kataloniens“ genannt. Andererseits kann man auch weiter nach Süden Richtung Lleida fahren.
Die Achse Àger – Balaguer – Lleida
Das Dorf Àger mit seinen 500 Einwohnern bietet interessante Kulturerlebnisse, zum Beispiel die Ruine der Stiftskirche Sant Pere, deren Ursprünge im 11. Jahrhundert liegen. Außerdem gibt es hier zwei romanische Wallfahrtskapellen: La Pedra, die teilweise in den Felsen hinein gebaut wurde, und La Pertusa, damals innerhalb der Mauern einer Burg gelegen und heute ein wunderbarer Aussichtspunkt auf einem 570m hohen Hügel.
Eine Attraktion für die ganze Familie ist der Parc Astronòmic del Montsec, ein Komplex, der neben einem 3D-Multimedia-Planetarium auch über einen Teleskop-Park und eine Dauerausstellung verfügt.
Bis zur Stadt Lleida sind es nur 60 km, eine knappe Autostunde – am Wegesrand liegen noch weitere Highlights! Kaum 20 Kilometer von Àger entfernt, befindet sich das Monestir de les Avellanes. Die Abtei aus dem 12. Jahrhundert, die inmitten üppiger Wälder liegt, wird seit 1910 von Mönchen der Maristen-Ordensgemeinschaft bewohnt und auf ihren Wunsch der Öffentlichkeit zugänglich. In diesem Sinne stellt das Kloster den Besucherinnen und Besuchern sowohl 37 Gästezimmer als auch ein Restaurant zur Verfügung.
Nach dem Zwischenstopp geht es nach Balaguer weiter, dem Hauptort des größten Landkreises Kataloniens: La Noguera. Gründe für eine Stadtbesichtigung gibt es auch hier jede Menge: Angefangen mit der maurischen Altstadt und der Stadtmauer aus dem 11. und 12. Jahrhunderte über das Kloster Sant Domènec und die gotische Kirche Santa Maria bis zur Basilika Sant Crist, die dem lokalen Schutzpatron gewidmet ist.
Und so erreicht man Lleida, die bevölkerungsreichste Stadt im Innern Kataloniens. Als Wahrzeichen der Stadt sticht ohne Zweifel die „Seu Vella“ hervor, die alte Kathedrale im romanisch-gotischen Stil, die auf einem kleinen Hügel steht und weite Aussichten auf die Stadt bietet. Gleich daneben erhebt sich die maurische Festung „La Suda“: Sie wurde spätestens im 9. Jahrhundert errichtet, als die Sarazenen die Stadt besetzten, und bietet eine kleine Ausstellung zur Geschichte des Gebäudes. Außerdem verfügt sie über den höchsten Aussichtspunkt auf die Stadt.
Lleida wird vom Ebro-Nebenfluss Segre durchquert, an dessen Ufer der Volksgarten „Camps Elisis“ liegt. Dort werden bei Einheimischen beliebte Events organisiert; darunter das „Aplec del Caragol“, ein riesiges Schnecken-Fest, das alljährlich in der zweiten Maihälfte von ungefähr 300.000 Besuchern gefeiert wird.
Für weitere Informationen zum kulturellen und touristischen Angebot Lleidas kann man sich an das lokale Tourismusbüro wenden (Carrer Major, 31) oder dessen Webseite besuchen.
Unterwegs zu den alten Römern!
Auf der Suche nach den wichtigsten Überresten der Römerzeit in Katalonien geht die Route über Montblanc weiter. Der Hauptort des Landkreises Conca de Barberà liegt an der nördlichen Spitze des Prades-Gebirges und befindet sich somit unweit der Wein- und Olivenöl-Region Priorat – welche der nächste Zwischenstopp sein wird. Zuerst aber konzentrieren wir uns auf das besagte Städtchen, das wegen seines mittelalterlichen Erbes ein unumgängliches Ausflugsziel ist. Die Altstadt sowie ihr umgebendes Gemäuer aus den 13. bis 14. Jahrhundert sind bis in unsere Tagen so wunderschön erhalten geblieben, wie sie damals aussahen. Und noch dazu bietet Montblanc unter anderem erstklassige Gastronomie oder entspannte Wanderrouten entlang des Flusses Francolí.
Nach der Besichtigung Montblancs kann der Katalonien-Erkunder das Prades-Gebirge auf den Straßen N-240 und TV-704 durchfahren und so in die berühmte Weinregion Priorat, die über zwei verschiedene Herkunftsbezeichnungen für Wein (D.O.) verfügt, vordringen. Unter ihren diversen alten Dörfern, jedes mit seinem Reiz, ist in diesem Fall Siurana das Ziel. Das Dorf bietet eine märchenhafte Kulisse für die lokale Gastronomie; nicht zuletzt seine privilegierte Lage auf einem Felsen mit grandioser Aussicht – knapp 700 m darunter fließt der gleichnamige Fluss gemächlich in Richtung Ebro. Die Besichtigung wird bestimmt niemanden kalt lassen!
Das etwa 50 km entfernte Tarragona nähert sich und damit auch der letzte Stopp dieser „Route des Kulturerbes“. Auf dem Weg nach Tarragona liegt noch eine weitere Stadt, die man sich angucken sollte: Reus. Gründe dafür gibt es mehrere: Architektonisch gesehen ist die Geburtstadt Antoni Gaudís dank der „Ruta del Modernisme“, der von dem örtlichen Tourismusbüro gefördeten Jugendstil-Route, sozusagen eine Pflichtstation. Diese Strecke im Zentrum von Reus führt entlang 29 fantasievollen Gebäudefassaden. Einige dieser Gebäude können sogar besichtigt werden.
Außerdem bietet Reus mit seinem lokal hergestellten Wermut noch eine weitere Besonderheit. So werden unter der Marke „Vermut de Reus“ spezielle Events organisiert, die jeden Fan dieses aromatisierten Weines mit Sicherheit ansprechen werden. Für weitere Ideen in der Stadt besuchen Sie die Webseite von Reus Turisme.
Und so kommt man, nach etwa 230 km und mit jeder Menge Kultur, Natur und Kulinarik im Rucksack, in die monumentale Hauptstadt der ehemaligen römischen Provinzhauptstadt Hispania Citerior: Tarraco, das heutige Tarragona. Die Route, die mit katalanischem Weltkulturerbe in den Pyrenäen begann, endet nun mit katalanischem Welterbe an der Mittelmeerküste. Ein imponierendes Modell der römischen Stadt kann man im Geschichtsmuseum (Museu d’Història) sehen, welches den Besuchern die Stadtplanung von Tarraco näherbringt – ganz zu schweigen vom Museum selbst!
Alles, was zu einer Tarragona-Besichtigung gehören sollte, wird ausführlich auf der Webseite von Turisme de Tarragona erklärt. Eine abschließende Empfehlung: Vom „Balcó del Mediterrani“ aus, der sich etwa 40 Meter über dem Meeresspiegel erhebt, einen Blick auf dasselbe Mittelmeer zu werfen, das vor 2000 Jahren die Ankunft römischer Schiffe an der Küste Kataloniens erlebte. Denn dort begann ein wichtiger Teil der Geschichte Europas, deren Erinnerung für die Einheimischen und Besucher Tarragonas bis in unsere Tage bewahrt wird.
Viel Freude bei der Zeitreise durch Katalonien!