Wäre die Provinz von Barcelona eine Zicke, würde sie über die vielen Wochenendbesucher der katalanischen Hauptstadt erst die Nase rümpfen und dann schmollen, weil sie in ihrer ganzen facettenreichen Schönheit mal wieder übersehen wurde. Aber zum Glück ist sie ja nicht nur schön, sondern auch klug. Sie weiß, sie ist nicht geschaffen für den Besuch der Massen. Also bewahrt sie sich auf für all jene, die bereit sind, langsam und genussvoll die vielfältigen Reize ihrer Landschaften, Städte und Dörfer zu erkunden. Wanderern eröffnet sie mit ihren Gebirgsketten, weiten Ebenen und lichten Küstenlandschaften ein Paradies, das von einem ganzen Netz von Fernwanderwegen durchzogen ist. Manche von ihnen verlaufen in unmittelbarer Nähe des Meeres, andere schwingen sich auf in die hohen Berge und viele von ihnen bieten dem Besucher die perfekte Symbiose von Kultur und Natur. Hier stellen wir Ihnen unsere Favoriten vor.
El Camí dels Bons Homes – Der Katharerweg
„Bons Homes“, die „Guten Menschen“ nannte man in Katalonien die Katharer, die zwischen dem 10. und 14. Jahrhundert in Südfranreich lebten. Sie waren Vertreter eine christlichen Bewegung, die eine Rückkehr zu den Wurzeln des Glaubens und eine bescheidene Lebensweise propagierte. Doch die „Guten Menschen“ begnügten sich nicht mit einem gottesfürchtigen Leben, sie übten auch Kritik am opulenten Lebensstil und der Korruptheit der hohen Vertreter des katholischen Klerus. In der Konsequenz sahen sich die Katharer zunächst von den Kreuzrittern und später von der Inquisition verfolgt. Die Flucht auf die andere Seite der Pyrenäen, in den Hoheitsbereich katalanischer Adeliger, war für viele von ihnen die einzige Rettung. Bis heute sind die Spuren ihres Wirkens in vielen Dörfern, Kirchen und Festungen der Pyrenäen sichtbar.
Was einst für die Katharer ein entbehrungsreicher Marsch mit ungewissem Ausgang war, ist heute einer der schönsten grenzüberschreitenden Wanderwege der Pyrenäen. Sein Startpunkt liegt nur eine Stunde von der Hauptstadt Barcelona entfernt an einer Kirche bei Berga. Das kleine Gotteshaus mit dem Namen Santa Maria de Queralt bietet unvergleichliche Weitblicke über den Berguedà und wird auch „der Balkon Kataloniens“ genannt. Von hier aus führt die erste Wegetappe nach Gósol, in jenes legendäre Gebirgsdorf, in dem zu Beginn des 20. Jahrhunderts der junge Picasso Inspiration fand. Im 13. Jahrhundert war der geschichtsträchtige Ort hingegen eine beliebte Zufluchtsstätte der Katharer. Die zweite Etappe führt nach Bagà, und damit in ein Gebirgsdorf, dessen mittelalterliche Architektur fast vollkommen erhalten ist. Hier lebten die Katharer unter dem Schutz der Barone von Pinós, die ihre „ketzerischen“ Untertanen mehr als einmal aus den Händen der Inquisition befreiten. Von Bagà führt die dritte Etappe des Weges nach Bellver de Cerdanya, gegründet im 13. Jahrhundert und über lange Zeit ein Knotenpunkt unterschiedlicher Grenzrouten. Das idyllisch in den waldreichen Gebirgslandschaften gelegene Dörfchen hütet zahlreiche Legenden und Geschichten aus alter Zeit. Von Bellver führt die vierte und letzte Etappe des Weges der Guten Menschen in Katalonien über Castellbo nach Porta (La Cerdanya). Die Bewohner Castellbos erwiesen sich im 13. Jahrhundert als treue Diener ihrer adeligen Herren, welche den Katharern Schutz versprochen hatten – und steinigten eines Tages den bekannten Inquisitor Pere de Cadireta, was ihnen den bis heute gern gebrauchten Spitznamen „matasantos“, „Heiligentöter“ einbrachte. Durch das unbesiedelte Grenzland führt der Weg der guten Menschen schließlich ins französische Gebiet der Ariège Pyrenäen und auf weiteren vier Etappen zu den altehrwürdigen Festungen Montsegur, Roquefixade und Foix, jenen Orten im alten Okzitanien, an denen die Fluchtroute der Katharer ihren Ausgangspunkt nahm.
Der Katharerweg folgt dem Fernwanderweg GR 107. Der Weg stellt mittlere Anforderungen an Kondition und Technik und ist somit für fitte Wanderer jeden Alters geeigent. Weitere Infos gibt es hier.
Camí Ignasià – Der Ignatiusweg
Der Ignatiusweg ist ein Pilgerweg, der den Spuren des Heiligen Ignatius von Loyola über die gesamte Iberische Halbinsel folgt. Details zu seinem Verlauf in ganz Katalonien haben wir hier zusammengestellt. Wer eine kürzere Strecke pilgern oder einfach auf einer Kulturwanderung die unverzichtbaren kulturellen und spirituellen Höhepunkte dieser Route für sich entdecken möchte, der darf sich ruhig auf den 70 Kilometer langen Abschnitt des Camí Ignasià in der Provinz Barcelona konzentrieren.
Startpunkt ist das Städtchen Igualada mit dem tausenjährigen Altstadtviertel. Schmale Gassen, bogenförmige Passagen und geschichtsträchtige Plätze und eine alte Festung geben reichlich Anlass, den Ort in Ruhe zu erkunden, bevor man sich aufmacht in Richtung Gebirges von Montserrat. Dessen bizarr in den Himmel ragende Felsformationen ziehen den Blick des Wanderers schon aus der Ferne in ihren Bann. Auf dem Weg zum spirituellen Zentrum Kataloniens, dem sagenumwobenen Kloster Montserrat, warten überraschende Kulturerlebnisse auf den Wanderer, zum Beispiel die St. Cecilien-Kapelle: Der Innenraum der aufwendig renovierten romanische wurde vom irischen Künstler Sean Scully neu gestaltet. Kunst des 21. Jahrhunderts stellt sich hier in den Dienst der kontemplativen Atmosphäre einer tausendjährigen Kirche.
Das Kloster Montserrat selbst markiert einen Wendepunkt im Leben des Heiligen Ignatius, der hier Kriegsgewand und Schwert zurückließ, um sein Leben ganz in den Dienst Gottes zu stellen. Allerdings ist das tausendjährige Benediktiner-Kloster nicht nur für Gläubige, sondern auch für Kunstliebhaber ein faszninierender Ort. Es hütet nicht nur die sagenumwobene schwarze Marienfigur La Moreneta, die als Schutzheilige Kataloniens gilt, sondern auch eine Vielzahl von Gemälden und Kunstwerken, zum Beispiel von El Greco, Picasso und Dalí.
Vom Montserrat aus führt der Weg nun zum Zielpunkt der Wanderung des Heiligen in Katalonien, nach Manresa. Dort erfuhr Ignatius in einer kleinen Höhle zunächst tiefste Depression und Verzweiflung, bevor er ein spirituelles Erwachen durchlebte und dabei wesentliche Teile seines Hauptwerkes „Die geistigen Übungen“ schrieb. Heute ist die kleine Grotte prunkvoll ausgestattet mit einem barocken Altarbild und Reliefarbeiten aus Alabaster. Darüber erhebt sich eine reich dekorierte Barockkirche – und Manresa hat noch mehr zu bieten. Bekannt geworden als eine der ältesten Industriestädte im Herzen der Provinz Barcelona hütet sie immer noch bemerkenswerte Beispiele mittelalterlicher und barocker Architektur, die zu entdecken sich zweifellos lohnt.
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El Camí de Sant Jaume – Der Katalanische Jakobsweg
Wenn wir von Pilgerwegen sprechen, wollen wir natürlich den berühmtesten aller europäischen Pilgerwege nicht unerwähnt lassen. Der Jakobsweg, der in Katalonien Camí de Sant Jaume heißt, erlebt seit einigen Jahrzehnten eine echte Renaissance und bietet eine hervorragende Gelegenheit Kataloniens sakrale Architektur und die traditionsreichen Städte des Landesinneren kennenzulernen. Der Weg startet an der Costa Brava, in Port de la Selva und führt von dort zum Kloster Sant Pere de Rodes, das im Mittelalter ein bedeutendes Pilgerziel war. Alternativ dazu startet im Pyrenäengrenzort La Jonquera ein Route, welche direkt mit einer der europäischen Hauptrouten des Jakobsweges verbunden ist. In Figueres vereinigen sich beide Routen und führen von dort aus über Girona in die Provinz Barcelona. Hier ist die erste bedeutende Stadt am Weg Vic, berühmt für seinen eleganten und geschichtsträchtigen Rathausplatz Plaça Major, die Kathedrale Sant Pere, die Baustile mehrerer Jahrhunderte in sich vereinigt und einen antiken römischen Tempel.
Von hier aus führt der Weg durch Eichen- und Steineichenwälder zunächst zum Mon Sant Benet. Rund um ein romanisches Kloster organisiert sich hier ein Kulturzentrum mit Restaurant und eigenenm Gemüsegarten und eine Stiftung, in der Ferran Adrià die Kunst der gesunden Küche lehrt.
Weiter geht es nach Manresa, die Stadt, in welcher der Heilige Ignatius für Monate in einer Grotte lebte, um dort eines seiner wichtigsten Werke zu verfassen. Weitere bedeutende Sehenswürdigkeiten sind die gotische Basilika Santa Maria de la Seu auf dem Hügel Puigcardener und das Interpretationszentrum in der Carrer del Balc, in dem das Manresa des 14. Jahrhunderts vor den Augen der Besucher lebendig wird. Von hier aus führt nun auch der Camí de Sant Jaume hinauf ins Kloster von Montserrat, jenes einzigartige spirituelle Zentrum, in dem fast alle Wege Kataloniens zusammenlaufen.
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El Camí del Llobregat – Der Weg des Llobregat
Der Fluss Llobregat ist eine Lebensader Kataloniens, die auf beeindruckende Weise die facettenreiche Kultur und Geschichte der Provinz Barcelona und ihre landschaftliche Vielfalt repräsentiert. Derzeit wird ein 170 Kilometer langer Wanderweg angelegt, der in weiten Teilen bereits begehbar ist und einen wunderbaren Zugang zu den vielen sehenswürdigen Orten dieses Landstrichs bietet. Der Weg startet im Naturpark Montserrat und passiert dann das Gebiet der alten Industriekolonien des Landkreises Berguedà. Die ehemaligen Fabriken mit ihren beeindruckenden Maschinen sind heute Teil von Freilichtmuseen, die auch die ehemaligen Arbeitersiedlungen umfassen.
Fern der großen Städte, in denen unterschiedliche Vorstellungen von Freiheit und sozialer Gerechtigkeit laut diskutiert wurden, bildeten die sogenannten colònias industriales emsige, in sich geschlossen Welten für sich. Über diese herrschten die Besitzer der Fabriken und viele von ihnen taten eine Menge, um den Arbeitern das Leben in der Siedlung schmackhaft zu machen. So gab es in den colònias nicht nur Geschäfte, Schulen, Kinos und Theater, wie man im Museum Colònia Sedò d’Esparraguera sehen kann, oft wurden hier auch prunkvolle Kirchen gebaut. Das wohl berühmteste Beispiel hierfür ist die Kirche der Colònia Güell, welche der Unternehmer Eusebi Güell dem berühmten Antoni Gaudí in Auftrag gab. Wegen mangelnden Budgets wurde zwar letztlich nur die Krypta der Kirche erbaut, diese zählt allerdings zu den meist bewunderten Bauwerken des katalanischen Ausnahmearchitekten. Gaudí experimentierte bereits hier mit zahlreichen revolutionären Techniken, die später in der Sagrada Familia zur Anwendung kamen und schuf ein Kunstwerk, das zu den Top-Sehenswürdigkeiten am Weg des Llobregat zählt.
Von hier aus führt die Wanderung weiter in die Landkreise Bages und Baix Llobregat und schließlich in die dicht bevölkerten Gebiete der Metropolregion Barcelona. Zur Überraschung des Wanderers findet sich gerade hier, in unmittelbarer Nähe zur katalanischen Hauptstadt, ein Naturschutzgebiet von beeindruckender Schönheit. Flussauen und Dünenlandschaft des Mittelmeers, Kiefernwälder und sumpfige Flächen mit kleinen Tümpeln und Weihern bieten einer Vielzahl unterschiedlicher Tier- und Pflanzenarten einen Lebensraum. Insbesondere Birdwatcher finden hier ihr persönliches Paradies: Das Delta ist einer der strategischen Punkte auf der Migrationsroute des westlichen Mittelmeers, an dem sich insgesamt 360 verschiedene Vogelarten ein Stelldichein geben. Doch man muss kein passionierter Birdwatcher sein, um den Anblick von Graureiher, Kormoran und Kiebitz genießen zu können.
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Der Weg des Bischofs und Abt Oliba – El Camí Oliba
Der Bischof und Abt Oliba war einer der einflussreichsten Männer des katalanischen Mittelalters. Als Wegbereiter der Romanischen Kunst und Architektur in Katalonien hat er das Land maßgeblich geprägt. So ist es nicht verwunderlich, dass die katalanische Route der Romanik, die in weiten Teilen durch die Provinz von Barcelona verläuft, seinen Namen trägt.
Der Weg des Bischofs Oliba bietet eine wunderbare Verbindung von herrlichen Naturlandschaften mit den beeindruckendsten Zeugnissen der Romanik in Katalonien. Damit möglichst viele Menschen dieses einzigartige Zusammenspiel von Kultur und Natur genussvoll erleben können, hat man zwei unterschiedliche Routen geschaffen: Eine von ihnen verläuft durch viele Ortschaften, so dass die Etappen kürzer sind und reichlich Gelegenheit bleibt, sich neben der Kunst und Architektur auch der lokalen Gastronomie zuzuwenden. Die Alternativroute führt durch weite Naturlandschaften und ist für trainierte und erfahrene Wanderer geeignet. Ausgehend vom Kloster Montserrat sind die Etappenziele Vic, Sant Joan de les Abadesses, Ripoll und schließlich Sant Miquel de Cuixà in Frankreich. Zu den bedeutendsten Sehenswürdigkeiten am Weg gehört das Bischöfliche Museum in Vic mit seiner herausragenden Sammlung von Gemälden und Skulpturen der katalanischen Romanik und Gotik, und die Klöster Sant Pere de Casserres, Santa Maria de Ripoll und Sant Joan de les Abadesses, die alle eindrucksvolle Elemente der romanischen Architektur und Kunst hüten. Einen schönen Einblick in das eindrucksvolle Miteinander von Kultur und Natur auf dem Camí Oliba gibt das folgende Video:
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