Was ist die Patum de Berga? Eine ziemlich geheimnisvolle Sache. Ein rauschendes Volksfest, dessen Protagonisten mythische Figuren wie Drachen, Engel und Dämonen, Rhythmus, Tanz und vor allem Feuer und Pyrotechnik sind. Dennoch: Das wahre Wesen der Patum lässt sich nach einhelliger Meinung aller, die etwas davon verstehen, in Worten nicht beschreiben. Wir wünschen trotzdem viel Spaß beim Lesen unseres Posts und versprechen: Wir werden das Mögliche tun, um Ihnen das Geheimnis der Patum näher zu bringen.
Von außen betrachtet: Tanzende Puppen und Pyrotechnik
Trägt man zunächst einmal die ganz kruden Fakten zusammen, ergibt sich folgendes Bild der Patum: In der Fronleichnams-Woche rollt eine Besucherwelle nach Berga in der Provinz Barcelona, welche die Bevölkerungszahl des Dorfes kurzfristig auf das Sechsfache anschwellen lässt. Während des fünf Tage währenden Festes, auf dem sich neben den von nah und fern angereisten Besuchern auch kunstvoll inszenierte Fabelwesen wie Drachen, Riesen, Zwerge, Engel und Dämonen tummeln, werden etwa 18.000 Feuerwerkskörper in die Luft gejagt. Dies geschieht nicht nach Lust und Laune, sondern im Rahmen eines els Plens genannten Rituales, bei dem hunderte gleichzeitig gezündeter Feuerwerkskörper als ein einziger großer Feuerball über den Platz zu fegen scheinen.
Els Plens: Der feurige Höhepunkt des Festes
Els Plens ist einer der Höhepunkte des Festes, weitere sind die Tänze des L’Àguila (Adlers), der Guites (Fabelwesen des Berguedà, eine Mischung aus Drache, Giraffe, Pferd und Maultirer), der Maces (eine Truppe, die den ewigen Kampf von Gut und Böse repräsentiert), der Turcs i Cavellet, (die den Kampf von Mauren und christlichen Rittern präsentieren, wobei selbstverständlich die christlichen Ritter immer gewinnen) der Nans (Zwerge) und der Gegants (Riesen). Den Rhythmus der Patum gibt als Herold der Tabal mit seiner riesigen Pauke vor, welche die pulsierende akustische Baseline des Festes bildet.
Wildes Straßentheater mit UNESCO-Welterbestatus
Das klingt zunächst nach einem ziemlich wilden Durcheinander – aber wir haben ja schon erwähnt, dass die Patum in Worten nicht zu beschreiben ist. Wer sich nun fragt, weshalb er fünf Tage lang bei Paukengedröhne mit Puppen tanzen und beim exzessiven Feuerwerkeln die Integrität seiner Haarfrisur riskieren sollte, dem entgeht eine entscheidende Tatsache: Die Patum ist die vermutlich beeindruckendsten Mischung von Volksfest und Straßentheater, die man in Europa zu sehen bekommt. Nicht umsonst hat sie vor einigen Jahren den Status des immateriellen UNESCO-Welterbes erlangt.
Die ehrwürdigen Wurzeln der Patum
Ihre historischen Wurzeln reichen weit in die Vergangenheit zurück. Sie liegen in den folkloristischen Blüten der Fronleichnamstradition einerseits und altehrwürdigen Traditionen des religiösen Theaters andererseits. Im Rahmen der belehrenden religiösen Darbietungen waren seit jeher kurze Verschnaufpausen von der Erbaulichkeit vorgesehen, die entremeses. Diese kurzen Stücke zeichneten sich durch ihren Hang zur grotesken Komik, exzessive Gestik und viel Tanz aus und inspirierten die Patum ebenso, wie die feuerspeienden Drachen und ähnlichen Fantasiegestalten, die seit jeher die Fronleichnamsprozessionen der Iberischen Halbinsel begleiteten. Als Reminiszenzen an die vorchristlichen Traditionen zur Sommersonnenwende, machten sie ein buntes Spektakel aus einem christlichen Fest, dessen theologischer Kern ziemlich schwer zu begreifen ist. Im Falle der Patum, haben sich Theater und Spektakel komplett von den religiösen Feierlichkeiten emanzipiert und führen nun ein höchst interessantes Eigenleben.
Was sich nicht erklären lässt..
Das alles erklärt zwar im Ansatz, warum auf der Patum die Puppen tanzen, es ist aber noch nichts darüber gesagt, weshalb die feiernden Fantasiegestalten und ihre Tänze eine solche Begeisterung auslösen und sogar zum Weltkulturerbe erhoben wurden. Das Problem ist, dass sich die äußeren Vorgänge dieses Festes und seine historischen Wurzeln zwar beschreiben lassen, aber das, was die Patum letztlich zur Patum macht, findet im Inneren der Teilnehmer statt. – Nein, wir sprechen hier nicht in erster Linie von den Effekten des Barreja, dem Getränke-Mix aus Muskatel-Wein und Anisette, der die Aktivititäten rund um die Patum traditionellerweise begleitet. Wir sprechen davon, dass die Patum zu den Dingen gehört, die man fühlen muss, um sie zu begreifen.
Die Patum trägst du in dir!
Die Patum ist keine Aufführung, die man sich anschaut, sie ist für viele ein höchst emotionales Erlebnis, an dem man Teil hat. Sie kennt weder die Grenzen des Bühnentheaters noch die rigide Aufteilung in Akteure und Zuschauer. Bei ihren Tänzen sind die Fabelwesen umgeben von einem Menschenmeer, dessen rhythmische Bewegungen als extatische Wellen über den Rathausplatz Bergas rollen. Dieses Verschmelzen in Bewegung und Rhythmus ist eine der Schnittstellen zwischen den sichtbaren Ritualen, und dem Innenleben der Patum. Diejenigen, die etwas davon verstehen, sagen „Die Patum trägst du in dir!“ Wir sparen uns deshalb weitere Erklärungsversuche. Vielleicht wagen Sie sich ja an Fronleichnam nach Berga, zum Fest der ganz großen Gefühle…
Tipp: Die Patum für Kinder
Auch wenn man es auf Anhieb kaum glauben kann, die Patum ist auch für Familien mit Kindern ein großartiges Erlebnis. Freitags findet die“ Patum für Kinder“ statt. Sie umfasst alle Elemente der „großen Patum“, ist jedoch kleiner und übersichtlicher. Die Patum für Kinder beginnt mit einer Parade am Morgen, dann folgen die fantastischen Truppen der Patum und die Tänze und Feuerwerke. Dabei werden selbstverständlich besondere Maßnahmen ergriffen, um die Sicherheit der Kinder zu garantieren. Farbenfroher und spannender kann Kultururlaub für Kinder wohl kaum sein…
Info unter www.lapatum.cat.