Josep Sucarrats ist ein preisgekrönter Journalist, Chefredakteur von „Cuina“, der meist verkauften Gastronomie-Zeitschrift Kataloniens, und er stellt regelmäßig Weine bei Catalunya Rádio vor. 2015 verlieh ihm die Katalanische Vereinigung der Sommeliers die Auszeichnung „Bester auf Wein spezialisierter Journalist“. In unserem Interview lüftet er Geheimnisse aus der Welt des Weines, führt uns ein in Theorie und Praxis des Wermut und gibt praktische Tipps für alle, die schon immer Weinkenner werden wollten.
Katalonien-Tourismus: Josep, du bist seit zehn Jahren Chefredakteur der Zeitschrift Cuina und damit der meistverkauften Zeitschrift Kataloniens. Wie bist du dazu gekommen, dich als Journalist auf das Thema Gastronomie zu spezialisieren?
Josep Sucarrats: Das war in gewisser Weise Zufall. Ich habe Audiovisuelle Kommunikation studiert und bin dann über eine Lokalzeitung in den Journalismus eingestiegen. Danach war ich zwei Jahre in der Redaktion eines Magazins für Landwirtschaft und habe Einblicke in den agrarwirtschaftlichen Sektor Kataloniens erhalten. Parallel dazu habe ich begonnen, für Reisezeitschriften zu arbeiten, zum Beispiel für Descobrir und REISE National Geographic. Auf diesem Weg entstanden dann auch die Kontakte mit den Gastronomie-Magazinen. Mein erster Beitrag in Cuina wurde 2003 veröffentlicht, ab 2006 war ich dann Chefredakteur.
Katalonien-Tourismus: 2015 hat dich die Katalanische Vereinigung der Sommeliers als besten auf Wein spezialisierten Journalisten ausgezeichnet. Was machst du anders als die Experten, die so über Wein reden, dass niemand sie versteht?
Josep Sucarrats: Gut und verständlich über Wein zu sprechen, ist eine ständige professionelle Herausforderung. Ich stehe ständig vor der Frage, wie ich die in Weinangelegenheiten typische Kombination von technischen Konzepten und ganz persönlichen Empfindungen richtig überbringe. Wir Weinspezialisten neigen dazu, entweder in einer kryptischen Fachsprache zu kommunizieren oder in falsche Poesie zu verfallen. Diejenigen, die meiner Meinung nach am besten „über Wein sprechen“ können, sind die Weinbauern. Unsere Leser verstehen die Geschichte, die hinter einem Wein steckt.
„Warum hat man entschieden, diesen Wein reifen zu lassen, warum ist dieser andere ein junger Wein?“ „Sind heimische oder internationale Trauben die Basis des Weines?“ „Welche Gründe hat der Weinbauer, sich gerade diesem Beruf zu widmen?“ Geschichten dieser Art verraten etwas über den Wein und die Leser können sie verstehen. Und wenn das Interesse geweckt ist, beginnen manche, sich in Weinfragen weiterzubilden, so dass sie schließlich auch den Fachjargon verstehen. Aber das passiert nicht am Anfang. Was wir erreichen wollen ist, dass diejenigen, die sich für Wein interessieren, aufhören zu sagen „ich verstehe nichts von Weinen“, weil sie die technische Sprache der Weinproben nicht beherrschen.
Katalonien-Tourismus: Kannst du uns ein paar kleine Geschichten über besonders interessante Weine katalanischer DOs, also Gebiete mit geschützter Ursprungsbezeichnung, erzählen?
Josep Sucarrats:
Empordà: Der Weinbau der an der Costa Brava beheimateten DO Empordà wäre beinahe der exzessiven touristischen Nutzung dieser Region zum Opfer gefallen. Dass die Rebsorten dieser so typisch mediterranen Region uns erhalten geblieben sind, verdanken wir einigen wenigen, besonders hartnäckigen Weinbauern. Zum Glück! Die hiesigen Reben gelangten bereits zur Zeit der griechischen Besetzung des Empúries nach Katalonien und ins Zentrum des Empordà.
Das 100% mediterrane Klima und der für die Region typische Nordwind „Tramuntana“ ermöglichen das Wachstum von Reben mit sehr gesunden und intensiv schmeckenden Trauben, insbesondere von Garnachas (rot und weiß) und Cariñenas. Im Empordà hat eine Generation junger Weinbauern das Selbstwertgefühl einer Region wiederhergestellt, die vor einigen Jahrzehnten vergessen hatte, dass sie die Wiege großer Weine sein kann.
Terra Alta: Die Terra Alta, ganz im Süden Kataloniens, ist einer der Landkreise mit der größten Weinbautradition – und bis vor kurzem war sie gleichzeitig eine der am wenigsten bekannten Weinregionen Kataloniens. Über Jahrzehnte wurde hier nur Fasswein produziert, doch in den 90er-Jahren entstanden einige neue Bodegas, die an das Potential dieser Gegend als Weinbauregion glaubten. Heute bieten viele der 40 Weinkellereien, die Teil der DO Terra Alta sind, ihre Weine auf dem internationalen Markt an. Ihr Markenzeichen ist die Garnacha Blanca, eine Traube aus der Weißweine mit intensiv warmem, mediterranen Geschmack hervorgehen. Die DO Terra Alta ist zweifellos die große Überraschung im Katalanischen Weinbau.
Pla de Bages: Dies ist eine der jüngsten und kleinsten DOS in Katalonien. Als sie 1985 geschaffen wurde, war dies ein Ausdruck der Anerkennung für die Winzer der Region, die an ihrer Arbeit festhielten, obwohl die Erschütterungen des 20. Jahrhunderts etwas anderes nahegelegt hätten: Die Reblausplage hatte die Rebstöcke zerstört und die Landwirtschaft als zentraler Wirtschaftsfaktor der Region war von der Textilindustrie immer mehr verdrängt worden.
Die drei Bodegas, die entschlossen waren, nicht aufzugeben, sahen in der Traube Blanca Picapoll die Chance der Region, einzigartige Weine anzubieten. Heute folgt ein knappes Dutzend Winzer ihrem Beispiel. Den Beweis, dass man in dieser Region mitten im Zentrum Kataloniens ausgewogene und elegante Weine herstellen kann, haben sie längst erbracht.
Katalonien-Tourismus: Deine Familie hat eine Bodega in der Ortschaft Abrera im Norden der DO Penedès. Weinbau und Weinproduktion waren schon immer Teil deines Lebens und dein Vater und dein Bruder bearbeiten noch heute die Weinfelder, die von deinen Urgroßeltern angelegt wurden. Weshalb schreibst du lieber über den Wein anstatt ihn anzubauen?
Josep Sucarrats: Ich bin einerseits der Enkel eines Weinbauern, andererseits aber auch der Enkel eines Kaufmanns. Ich weiß nicht warum, aber als ich klein war, faszinierte mich die kaufmännische Welt meines Großvaters sehr, vor allem die wahnsinnige Empathie, die er im Umgang mit Menschen an den Tag legte. Am Ende bin ich nicht Kaufmann geworden, aber die Kommunikation habe ich zu meinem Beruf gemacht… Ich habe riesigen Respekt vor der Arbeit meines Vaters und meines Bruders – ich wäre sicherlich kein besserer Winzer als diese beiden. Durch ihre Art, tief mit dem Land verbunden zu sein, das sie geerbt haben, habe ich viel gelernt. Das hat dazu beigetragen, dass ich mich ihrem Projekt sehr verbunden fühle. Mehr noch, ich fühle mich als Teil davon.
Katalonien-Tourismus: Welchen Einfluss hatte deine Herkunft aus einer Winzerfamilie auf deine berufliche Laufbahn?
Josep Sucarrats: Wenn man auf dem Land aufwächst, fällt es leicht, auf ganz natürliche Art Dinge kennenzulernen, die für viele Menschen Geheimnisse der Küche bleiben. Die Zeit, in der Nahrungsmittel reif werden, ihre Verarbeitung und Konservierung, ihr Geschmack… Ich erinnere mich noch immer an meine Anfangszeiten an der Uni von Barcelona. Ich vermisste an jedem einzelnen Tag das frisch aus unserem Garten geerntete Gemüse. Das ist wohl einer der besten Einflüsse auf meinen Beruf. Ich habe unsere Felder als echte Speisekammern kennengelernt und gut gegessen. Davon abgesehen, ist meine Großmutter eine wirklich gute Köchin..
Katalonien-Tourismus: Wann wurde der Wein für dich als Getränk interessant?
Josep Sucarrats: Der Wein war am Famlientisch immer präsent und meine Brüder und ich haben auf sehr natürliche Weise früh gelernt, verantwortungsvoll mit ihm umzugehen. Wie sehr ein guter Wein ein gutes Essen zu einem noch viel besseren Essen macht, ist mir allerdings wohl erst so mit Anfang zwanzig bewusst geworden.
Katalonien-Tourismus: Was macht den Wein zu einem so interessanten Thema für dich als Journalisten?
Josep Sucarrats: Der Wein hat etwas Unerklärliches an sich, das mich fasziniert. Im Gegensatz zu den meisten anderen Getränken bestimmen so viele unterschiedliche Faktoren das Endresultat jedes Jahrgangs. Die Summe all dieser Einzigartigkeiten in einem guten Wein vereinigt ist einfach unglaublich sexy. Es gibt keine „definitive Formel“ für große Weine. Sie sind künstlerische Werke erfahrener Winzer, die jeden Jahrgang neu interpretieren und dabei (oft ohne es zu bemerken) dem Wein eine sehr persönliche Note hinzufügen.
Katalonien-Tourismus: Welchen Zusammenhang siehst du zwischen dem Wein, der Küche und einem Land?
Josep Sucarrats: Die Länder mit einer alten Weintradition haben üblicherweise auch eine große gastronomische Kultur. Erwähnen wir nur Italien und Frankreich! Das Gleiche passiert in Katalonien. Wein und Küche sind ein unwahrscheinlich wichtiger Teil des kulturellen Erbes (und der Wirtschaft).
Katalonien-Tourismus: Du bist Co-Autor eines Buches über Wermut. Erzähl uns etwas über den Wermut. Was ist das für ein Getränk? Was hat er für eine Tradition in Katalonien und weshalb lohnt es sich, diesem Getränk ein ganzes Buch über die „Theorie und Praxis des Wermut“ zu widmen?
Josep Sucarrats: Wir prägen in unserem Buch das Konzept der „Generation Wermut“ und bezeichnen damit die Katalanen die zwischen den 70er und 80er Jarhen des letzten Jahrhundert geboren sind. Nun, mit etwa 40 hat diese Generation die von ihren Großeltern und Urgroßeltern ererbte Gewohnheit des Wermuttrinkens wieder in Mode gebracht. „Fer el vermut“ (Wermut machen) bedeutet, diesen Aperitif am Mittag mit einigen Tapas (Oliven, Chips, Sardellen) zu sich zu nehmen und das gilt inzwischen wieder als trendy. Diese Sitte schien aus der Mode gekommen zu sein. Ihre Wiederentdeckung durch die Generation Wermut war ein spontanes und unerwartetes Phänomen.
Der Wermut ist im Wesentlichen ein mit Kräutern aromatisierter Wein. Er kommt ursprünglich aus Bayern, bekannt gemacht haben ihn jedoch die Italiener. In Katalonien begann man Ende des 19. Jahrhunderts Wermut zu herzustellen. Das Zentrum der Produktion lag im Süden, insbesondere in der Stadt Reus. Heute halten sich noch immer einige wenige historischen Marken, aber mit der Wiederbelebung des Phänomens sind auch dutzende neuer Marken entstanden.
Wir haben mit Überraschung festgestellt, dass vielen Katalanen die Geschichte und der Herstellungsprozess des Wermut völlig unbekannt war. Es war auch kein einziges Buch auffindbar, das monographisch diesem Getränk gewidmet gewesen wäre. Unseres war das erste in Katalonien.
Katalonien-Tourismus: Was empfiehlst du unseren Lesern, die interessiert daran sind, etwas mehr vom Wein zu verstehen?
Josep Sucarrats: Der erste Schritt zum Weinkenner besteht darin, Wein zu genießen und ohne Komplexe sagen zu können, ob man einen Wein mag oder nicht. Sobald wir wissen, welche Weine wir mögen, ist es interessant, spezialisierte Weinhandlungen zu besuchen. Dort gibt es ausgebildetes Personal, das uns bei der Orientierung helfen und beraten kann. Diese Geschäfte sind außerdem Informationszentren, die oft Kurse und Weinproben für Laien anbieten, die sehr hilfreich für alle sind, die Lust haben, die Welt des Weines näher kennenzulernen.
Der Besuch von Bodegas und Weinproben vor Ort sind eine spannende Urlaubsbeschäftigung, bei der wir den Geheimnissen des Weines immer mehr auf die Spur kommen können. Wir nennen das „enoturismo“ (Wein- oder Önotourismus) und die entsprechenden Angebote gibt es in ganz Katalonien, die meisten jedoch in den DOs Empordà, Penedès, Priorat und Montsant.
Aber natürlich kann man auch zu Hause an seinen Fähigkeiten als Weinkenner arbeiten. Der beste Weg dafür ist, guten Wein beim Essen mit Familie und Freunden zu teilen, zu probieren und darüber ganz ungezwungen zu sprechen. Schließlich soll der Wein weiterhin vor allem eins sein: Genuss!
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