2017 wurde die Burg von Cardona zum beliebtesten Monument Kataloniens gewählt, 2016 erhielt sie von der Europäischen Filmakademie eine Auszeichnung und zählt nun zu den „Schätzen der Europäischen Filmkultur. Diese Ehre verdankt das alte Gemäuer vor allem Orson Welles, der im Jahr 1964 weite Teile seiner Shakespeare-Adaption „Falstaff – Glocken um Mitternacht“ im zur Burg gehörigen Kollegiatsstift von Sant Vincenç drehte. Im Jahr 1976 öffneten sich die Tore der Festung, die in den 1100 Jahren ihres Bestehens nie mit Waffengewalt eingenommen wurde, Besuchern aus aller Welt: Als Parador Nacional de Turismo beherbergt sie nun ein Luxushotel, in dem Stil und Atmosphäre der mittelalterlichen Adelsresidenz lebendig sind.
Geschichte
Man könnte meinen, Cardona erlebe gerade bewegte Zeiten. Ein Blick auf die Geschichte des beliebtesten Monuments von Katalonien relativiert diesen Eindruck jedoch schnell. Im Vergleich zu dem, was die Burg auf dem Hügel über dem Tal des Riu Cardener in den letzten tausend Jahren gesehen hat, fallen die ruhmreichen Ereignisse der letzten 50 Jahre kaum ins Gewicht.
Eigentlich beginnt die Geschichte der Burg von Cardona schon in der Frühsteinzeit. Allerdings ahnte damals noch niemand, dass hier einst eine Festung entstehen würde, an der spätere Generationen die Entwicklung militärischer Strategie und Technik vom Mittelalter bis weit in die Neuzeit nachvollziehen könnten. In jenen frühen Tagen der Menschheitsgeschichte entdeckte man hier ein Mineral, dass seit jeher die Geschicke des Ortes gelenkt hat: Kalisalz.
Der erste, der das Wunder des Salzes von Cardona in überlieferte Worte gefasst hat, war der römische Konsul Marcus Portius Cato. Er sprach von „einem riesigen Gebirge aus Salz, das in gleichem Maße anwächst, wie man es abbaut.“ Aus geologischer Sicht handelt es sich bei diesem vertikalen Aufstieg des Kalisalzes aus der Erde übrigens nicht um ein Wunder, sondern um ein Diapirismus genanntes Phänomen, dass sich anschaulich an der Funktion einer Lavalampe nachvollziehen lässt. Dennoch geben auch die Geologen zu, dass der Salzberg von Cardona weltweit einzigartig ist.
Im Laufe der Jahrtausende stand die geologische Faszination des Salzgebirges allerdings eher im Hintergrund. Es war der wirtschaftliche Wert des Minerals, der den Herren von Cardona Macht und Ansehen in ganz Europa verschaffte. Salz war im Mittelalter nicht nur unverzichtbar, um Speisen zu konservieren und zu würzen, es fungierte zeitweise auch als Zahlungsmittel. So gesehen saßen die Herren von Cardona hier nicht einfach auf einer Salzmine, sondern auch auf einer „Goldmine“.
Im Jahr 886 wurde die Festung von Cardona auf Anordnung Guifré el Pilós, („Wilfried, der Haarige“) errichtet. Dieser mit unfehlbarem Gespür für strategisch kluge Entscheidungen gesegnete Adelige gilt als Begründer Kataloniens, der die faktische Unabhängigkeit der katalanischen Grafschaften vom fränkischen Königreich erwirkte. Ganz in diesem Sinn ist der Beiname „der Haarige“ auch als bewusst gewählter Gegenbegriff zum Beinamen seines ehemaligen fränkischen Lehensherrn „Karl, dem Kahlen“ zu verstehen. Guifré gründete nicht nur die Festung von Cardona, sondern auch die berühmten Klöster Ripoll und Sant Joan de les Abadesses. Eine weitere Großtat, deren Folgen bis heute deutlich wahrnehmbar sind, war die Wiederbesiedlung der Ebene von Vic, die zu jener Zeit Niemandsland zwischen moslemisch und christlich besetzten Territorien war.
Die Glanzzeit der Burg fällt jedoch in den Zeitraum zwischen dem 11. und 15. Jahrhundert als die Herren von Cardona die Burg nicht nur als Festung, sondern auch als herrschaftliche Residenz nutzten. In jenen Jahrhunderten erweiterte das Adelsgeschlecht der Cardona seine Macht in mehrfacher Hinsicht. Die wirtschaftliche Stärke, welche der Besitz der Salzminen ihnen eintrug, war dabei nur ein Faktor. Ein weiterer war ihre traditionelle Rolle als Vermittler, die zur Deeskalation vieler Konflikte zwischen der Krone und den Pyrenäengrafschaften beitrug, mit welchen die Cardona durch Blutsbande verbunden waren. Diesem Zusammenspiel von wirtschaftlichem und politischem Einfluss verdankte die Familie Cardona den Aufstieg zu einem der mächtigsten Adelsgeschlechter Europas.
Ab etwa 1450 bevorzugten die Cardona zunehmend den Aufenthalt in ihren Palästen in Barcelona und anderen Orten. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts hatte die Burg von Cardona ihren ehemaligen Glanz verloren und fungierte vor allem als Gefängnis und militärischer Stützpunkt. Die Ereignisse im Zuge von Sezessionskrieg und Pyrenäenfrieden führten dazu, dass Cardona ab Mitte des 17. Jahrhunderts permanent militärisch besetzt war. Ende des 17. Jahrhunderts begann man mit dem Ausbau der mittelalterlichen Burg zu einer Festung der Neuzeit.
Es dauerte nicht lange bis die reformierte Festung ihre Wehrhaftigkeit unter Beweis stellen musste. Im spanischen Erbfolgekrieg weigerte sich Katalonien auch nach dem Frieden von Utrecht, die Herrschaft des Bourbonen Philipp V als König von Spanien anzuerkennen. In der Konsequenz kam es ab 1713 zu einer Belagerung Barcelonas. Barcelona kapitulierte am 11. September 1714. Erst eine Woche später öffnete Cardona seine Tore dem Gegner, da die Sicherheit Barcelonas nun von der Kapitulation Cardonas abhing. Katalonien wurde unter Philipp V von Anjou in den spanischen Nationalstaat eingegliedert. Die Festung von Cardona gilt den Katalanen als der Ort, an dem die Souveranität Kataloniens am längsten verteidigt wurde. Cardona ging noch aus vielen weiteren Konflikten als „uneinnehmbare“ Festung hervor, unter anderem aus dem Pyrenäenkrieg, dem Unabhängigkeitskrieg und den Karlistenkriegen.
Das Gebäude
Eigentlich kann man im Falle der Burg von Cardona nicht von einem Gebäude sprechen. Vielmehr handelt es sich hier um mehrere Gebäude, die im Laufe der Jahrhundert neben- und übereinander errichtet wurden. Der ehemalige Adelspalast und das Kollegiatsstift von Sant Vicenç nehmen etwa gleich viel Raum im Bereich der Festung ein.
Sant Vincenç
Die dreischiffige Basilika, die als Kulisse von Orson Welles „Falstaff“ berühmt geworden ist, gilt als ein Juwel früher katalanischer Romanik. Drei halbkreisförmige Absiden bestimmen die Form des Querschiffs. Dem Mittelschiff steht ein weitläufiger Altarraum vor, unterhalb dessen sich eine Krypta erstreckt. Unter anderen sind hier der Herzog Fernando I und der Graf Ramón Folc I begraben. Die Stiftsherren von Sant Vincenç lebten hier unter dem Patronat der Herren von Cardona, bis die Burg am Ende des 16. Jahrhunderts zum Militärposten umfunktioniert wurde. Teile ihrer Gemächer, der Adelspalast sowie das alte Pulvermagazin bilden heute gemeinsam das Hotel Parador Nacional de Turismo de Cardona.
Der Schlossturm Torre de la Minyona
Um den Schlossturm Torre de la Minyona (der Turm des Fräuleins), der zu den bemerkenswertesten Bauwerken innerhalb der Festung gehört, rankt sich eine traurige Legende. Im 11. Jahrhundert, so erzählt man sich, verliebte sich eine Tochter des Herrn von Cardona in einen Sarazenen-Ritter. Um sie an der Flucht mit dem Geliebten zu hindern, sperrte ihr Vater sie in den Schlossturm. Für die junge Adelige gab es kein Entrinnen aus ihrem in 25 Meter Höhe gelegenen Gefängnis. Heute ist der runde Schlossturm übrigens nur noch 12,5m hoch. Der technologische Fortschritt der Kriegswaffen machten den Turm im Falle einer Belagerung zum weithin sichtbaren Zielpunkt für feindliche Artillerie, weshalb man ihn an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert auf die Höhe von 12,5m verkleinerte, die er heute noch hat.
El Patio Ducal, der Herzogliche Innenhof
Um diesen zentralen Innenhof waren die Gemächer des Adelspalastes angeordnet, die zwischen dem 12. und 14. Jahrhundert wohl den unteren Teil der ersten Burganlage neben dem Schlossturm ausmachten. Hier residierten bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts die Grafen und Herzöge von Cardona mit ihren Familien. Sie lebten hier umgeben von einem ganzen Hofstaat von Dienern, der die Etiquette des königlichen Hofes von Barcelona imitierte.
Bollwerk und Verteidigungsmauern
Der Kranz von insgesamt sieben Bollwerken, der das Schloss umgibt, zählt zu den beeindruckendsten Sehenswürdigkeiten der Burg. Vier von ihnen sind fünfeckig, die restlichen drei passen ihre Form den Gegebenheiten des Terrains an. Die Frontmauern sind bis zu 4 Meter dick und in ihren Wällen befinden sich Schießscharten für die Artillerie. In ihren äußeren Winkeln befanden sich die Schildhäuser der Wachtposten.
Unvergesslich ist natürlich auch der Blick von der Burg über das weite Land am Riu Cardona:
Foto: Ferran Porta auf Flickr, Lizenz : CC BY-ND 2.0
Mehr als ein Monument
Die Altstadt von Cardona
Einen Besuch der Burg von Cardona sollte man unbedingt mit einem Besuch des mittelalterlichen Stadtkerns von Cardona und dem dortigen Centre Cardona Medieval verbinden. Das liegt an der plaza de la Fira vor dem Rathaus und bietet einen anschaulichen Einstieg in die Geschichte des Ortes und die Entwicklung von Stadt und Burg von Cardona. Beim anschließenden Spaziergang durch die Altstadt besichtigt man dann gut informiert Sehenswürdigkeiten wie die Kirchen Sant Miquel und Santa Eulàlia, den Durchgang des alten Spitals zum Marktplatz („Plaça del Mercat“), den Henkerturm („Torre del botxí“) und die Teufelsbrücke („Pont del diable“).
Der Kulturpark des Salzbergs
Pflichtprogramm ist selbstverständlich auch ein Besuch im „Kulturpark des Salzbergs“. Der 120 Meter hohe sichtbare Salzberg ist nur die Spitze des enormen Diapirs mit einer Tiefe von annähernd 2 Kilometern. Ein Besuch im Kulturpark des Salzbergs eröffnet die Möglichkeit in einer Tiefe von 86 Metern unter der Erde die fantastischen Formen und Texturen des Salzmassivs aus nächster Nähe zu bestaunen.
Von 1929 bis 1990 war die hiesige Mine eine der weltweit bedeutendsten Kalisalz-Minen. In den 90er-Jahren wurde die alte Mine zum Kulturpark ausgestaltet, in dem Besucher nun Interessantes und Erstaunliches über die Geologie des Ortes und das Salz und seine Bedeutung für den Menschen erfahren.