Das Benediktinerkloster Sant Pere de Rodes gilt als eine der beeindruckendsten Sehenswürdigkeiten der mit Kulturgütern reichlich gesegneten nördlichen Costa Brava. Sant Pere de Rodes erhebt sich auf einer Höhe von 500m über dem Meeresspiegel auf der Halbinsel Cap de Creus, die den nordöstlichsten Zipfel der katalanischen Küste bildet. Die gebirgige Küstenlandschaft rund um das Kloster ist atemberaubend, ebenso der Blick von den tausendjährigen Mauern, der über altes Weinbauland und wilde Felsformationen bis zu den blauen Weiten des nahegelegenen Mittelmeers reicht.
Legendenreich
Um die Ursprünge des Klosters, das im Mittelalter ein europaweit bekannter Pilgerort war, ranken sich viele Legenden. So erzählt man sich zum Beispiel, dass der Leichnam des Heiligen Petrus oder doch zumindest seine Reliquien hier ruhen. Ebenso zahlreich wie die Legenden sind auch die offenen archäologischen und historischen Fragen rund um das Kloster. Sicher ist, dass sich in unmittelbarer Nähe des Klosters architektonische Reste aus einer frühen Epoche finden – möglicherweise der römischen – und dass aus dieser Zeit kleine dekorierte Marmorfragmente stammen, die hier zu einem späteren Zeitpunkt wiederverwendet wurden.
Klosterfestung
Die herrliche Aussicht, die der Besucher heute von Sant Pere de Rodes aus genießt, verdankt sich in erster Linie der prekären Sicherheitssituation, in der die Bewohner der Küste während des Mittelalters lebten. Die heutige Costa Brava war damals häufig Piratenangriffen ausgesetzt, und diese Gefahr bewegte die damaligen Benediktiner, ihr Kloster hoch oben in der Sierra de Rodes zu errichten. Doch offenbar fühlten sie sich selbst hier nicht völlig sicher. Die Klostermauern erinnern durchaus an eine Festung und zum eleganten Glockenturm gesellt sich ein trutziger Wehrturm.
Blütezeit
Die erste urkundliche Erwähnung von Sant Pere de Rodes stammt aus dem Jahr 878, als das Kloster noch der Abtei Sant Esteve de Banyoles unterstand. Im Jahr 947 erlangte Sant Pere de Rodes die Unabhängigkeit als Abtei und unterstand von nun an nur noch dem Papst. Damit beginnt die Blütezeit des Benediktinerklosters. Dank zahlreicher Schenkungen besaß Sant Pere de Rodes schon bald Ländereien, die sich über den gesamten Norden Kataloniens erstreckten. Im Jahr 1022 wurde die Kirche geweiht, die im Wesentlichen bis in unsere Tage erhalten ist und als Wiege der katalanischen Romanik gilt. Etwa um diese Zeit gewann das Kloster auch einen Ruf als bedeutsamer Pilgerort, der Gläubige aus den verschiedensten Ecken Europas anzog.
Im 11. und 12. Jahrhundert erfuhr das Kloster mehrere Umbauten, möglicherweise als Reaktion auf Schädigungen, die Folge des Konflikts zwischen den Häusern von Empúries und Peralada gewesen sein könnten. Um diese Zeit entstanden unter anderem zwei neue Portale. Das äußere von ihnen war ein kunstvoll skulpturiertes Werk des Mestre de Cabestany, der hier Szenen aus dem Leben Jesu in weißem Marmos verewigt hatte. Allerdings ist „verewigt“ nicht wirklich der treffende Ausdruck, denn in späteren Jahrhunderten wurde dieses Portal weitgehend zerstört und nur seine Reste sind heute im Museum Marès in Barcelona zu besichtigen. Bis zum Ende des 13. Jahrhunderts erlebte Sant Pere de Rodes jedoch ein goldenes Zeitalter, in welchem die Klosterkultur die umliegenden Dörfer und Landschaften prägte. Die Arbeit der heutigen Winzer der Region, welche die ausgezeichneten Weine des Empordà schaffen, setzt auf der von den damaligen Benediktinern geprägten Weinbau-Kultur auf.
Zeit der Dekadenz
Ab dem 14. Jahrhundert erlebte das Kloster eine Zeit der Dekadenz. Anstatt getreu der Worte des Ordensgründers ihre Zeit dem Gebet und der Arbeit zu widmen, gaben sich die Mönche zunehmend weltlichen Freuden hin. Sant Pere de Rodes verlor an Ansehen und damit an finanzieller Unterstützung. Der Niedergang begann. Im Zuge der Kriege, welche das Gebiet im 17. und 18. Jahrhundert heimsuchten, kam es immer wieder zu Plünderungen. Viele der Kunstschätze, die das Kloster einmal gehütet hatte, verschwanden für immer oder tauchten erst Jahre später in Sammlungen wieder auf. 1798 verließen die letzten Benediktiner das Kloster, und die ehrwürdigen Mauern verfielen. Im Jahr 1935 unternahm man einen ersten Versuch, das Kloster zu restaurieren. Bis heute sind die Restaurationsarbeiten nicht abgeschlossen, und die alten Mauern hüten weiterhin viele ungelöste historische Rätsel und Geheimnisse.
Die Gebäude
Das Kloster Sant Pere de Rodes ist in Terrassen angelegt und passt sich so perfekt an an den gebirgigen Untergrund an. Im Mittelpunkt des verschachtelten Gebäudekomplexes stehen die Klosterkirche und der Kreuzgang. Beide wurden im 10. und 11. Jahrhundert erbaut und hüten einzigartige Beispiele romanischer Skulptorik.
Die Klosterkirche ist als dreischiffige Basilika mit Querschiff und drei Apsiden erbaut. Von den einstigen Kunstschätzen ist nichts in der Kirche zurückgeblieben, und so hat der Besucher die Möglichkeit, seine Aufmerksamkeit ganz der eindrucksvollen Architektur zu widmen.
Mit einer Länge von 37 Metern und einer Höhe von 15 Metern erreicht die Kirche von Sant Pere eine räumliche Ausdehnung, die für die Zeit ihrer Erbauung absolut ungewöhnlich ist. Der Eindruck räumlicher Weite wird verstärkt durch die auf hohen Pfeilern ruhenden, klassisch inspirierten Säulen, welche die Rundbögen stützen. Von der Kirche aus führt eine Treppe in die Krypta mit ihren in den Stein gehauenen Gräbern, die zum Teil noch aus dem 9. Jahrhundert stammen.
Etwa zur gleichen Zeit wie die Kirche entstand der alte Kreuzgang, der erst vor kurzem unterhalb eines später erbauten Kreuzgangs gefunden wurde. Der viereckig angelegte alte Kreuzgang ist geprägt von einer soliden Bauform mit großen Rundbögen und einem Tonnengewölbe. Ursprünglich erreichte man von hier aus verschiedene Räumlichkeiten, die jedoch mit der Anlage des neuen Kreuzgangs verschwunden sind.
Der neue Kreuzgang stammt aus dem 12. und 13. Jahrhundert, ist jedoch immer wieder renoviert worden. Nur noch wenige seiner Säulen sind heute im Original erhalten.
Der beeindruckende Glockenturm stammt aus dem 11. oder 12. Jahrhundert, noch älter ist der Verteidigungsturm des Klosters, der vermutlich noch aus dem 10. Jahrhundert stammt und immer wieder umgebaut und renoviert wurde.
Die Kunstschätze, die einst zu Sant Pere de Rodes gehörten, sind heute auf verschiedene Sammlungen verteilt. Das erwähnte Fragment des marmonen Portals von Cabestany ist im Museum Marès in Barcelona zu besichtigen. Der wohl bedeutendste Schatz des Klosters, die Bibel von Sant Pere de Rodes, ist heute im Besitz der Nationalbibliothek von Paris. Trotz des Verlusts seiner Kunstschätze und den Folgen des langjährigen Verfalls ist Sant Pere de Rodes einer der eindrucksvollsten Orte der Costa Brava. Das Lebensgefühl des Mittelalters verbindet sich hier mit der Erfahrung einer Küstenlandschaft von wilder Schönheit
Übrigens: Möglichkeit zur virtuellen Besichtigung von Sant Pere de Rodes gibt es hier.