Die Seu Vella ist das Wahrzeichen Lleidas. Die alte Kathedrale ist Teil eines Ensembles historischer Gemäuer, zu dem auch die La Suda genannte Königsburg und eine beeindruckende Festungsanlage gehören. Auf einem Hügel hoch über der Stadt gelegen, bietet die Seu Vella herrliche Aussichten auf Lleida und den Landkreis Segrià.
© aller Fotos dieses Beitrages: Antoni Benavente. Wir danken dem Consorci Turó Seu Vella für die freundliche Unterstützung.
Lleidas alte Kathedrale gilt als eine der herausragenden Schöpfungen der katalanischen Architektur des 13. Jahrhunderts. Darüber hinaus zählt sie auch zu den bedeutenden Bauwerken des europäischen Mittelalters. Doch nicht nur die einzigartige Architektur macht die Seu Vella zu einem der beeindruckensten Monumente Kataloniens. Auch die Vielfalt ihrer Skulpturen und Plastiken beeindruckt den Besucher. Die Kapitelle, Gesimse, Konsolen und Portale der Kathedrale ziert eine bildhauerische Ornamentik von höchster künstlerischer Qualität.
Nicht zuletzt ist die Seu Vella ein Ort, an dem die bewegte Geschichte der Provinz Lleida und der Iberischen Halbinsel erfahrbar wird. Als Grabstätte vieler adeliger Familien und kirchlicher Würdenträger gibt Lleidas alte Kathedrale Zeugnis vom Leben und Wirken einiger historisch bedeutender Persönlichkeiten. Außerdem sind die alten Mauern beredte Erzähler alter Legenden und kurioser Anekdoten.
Kleiner historischer Überblick
In der Mitte des 12. Jahrhunderts hatten die christlichen Katalanen weite Teile des heutigen Katalonien von den maurischen Besatzern zurückerobert. Nun galt es, die christliche Kultur wieder fest in jenen Gebieten zu verankern, die lange in moslemischer Hand gewesen waren. So ließ man einerseits Klöster bauen, wie zum Beispiel die Cartoixa Santa Maria d’Escaladei oder die weltberühmten Klöster der Zisterzienserroute. Andererseits war es eine Frage der Staatsräson, die wiedergewonnenen städtischen Zentren mit prächtigen christlichen Gotteshäusern auszustatten.
1149 hatten die katalanischen Truppen unter Ramón de Berenguer IV de Barcelona und Ermengol VI de Urgell Lleida von den Mauren zurückerobert. Ein gutes halbes Jahrhundert später, im Jahr 1203, wurde der Grundstein der Seu Vella gelegt. 70 Jahre später feierte man die Kirchweihe. Dennoch erwies sich der Bau als ein Langzeitprojekt, das sich bis in 15. Jahrhundert hineinzog. Erst zu diesem Zeitpunkt waren alle vier großen Teile der Seu Vella, also die Basilika, der Kreuzgang, der Glockenturm und der Domstift, fertiggestellt. Die glanzvollste Zeit der Seu Vella, vom frühen 13. bis zum frühen 16. Jahrhundert, fällt zusammen mit Epoche der Gotik in Spanien.
Porträt: Wikimedia Commons
Mit dem Els Segadors Krieg im Jahr 1640 begann jedoch der Niedergang der alten Kathedrale Lleidas. Sie wurde nun als Hospital und Waffenlager genutzt. Im Zuge des Erbfolgekrieges war die Kirche auf Anordnung Felipe V ab 1707 nicht mehr für Gottesdienste geöffnet. Statt dessen machte man aus ihr nun eine Kaserne. Ein Großteil ihrer Kunstschätze nahm schaden oder ging verloren. Eine Deklaration zum Monument von historischem Interesse im Jahr 1918 verhinderte nicht die Umfunktionierung zum Konzentrations- und Militärlager während des Bürgerkriegs (1936-1939). Die Phase der Restaurierung dieses Schmuckstücks unter den Kathedralen Kataloniens begann im Jahr 1948.
Die Basilika
Die Baupläne der Basilika sind aus der Hand von Pere de Coma. Manche sagen, dieser Baumeister des 13. Jahrhunderts stammte aus der Lombardei. Andere sind überzeugt, seine Heimat waren Ribagorça oder Solsonès. Sicher ist, Pere de Coma war jener Baumeister, der die Romanik nach Lleida brachte. Und er war der geistige Vater des architektonischen Kunstwerks Seu Vella. Auf dem Grundriss eines lateinischen Kreuzes entwarf er die dreischiffige Kirche und versah sie mit einem Querschiff mit fünf Absiden.
Über dem Schnittpunkt der Linien dieses lateinischen Kreuzes erhebt sich eine achteckige Kuppel. Gleichmaß und Symmetrie bestimmen das Bild der Kathedrale und verleihen ihr eine erhabene Atmosphäre. Das harmonische Wechselspiel kreuzförmiger romanischer Säulen und gotischer Kreuzgewölbe eröffnet einen monumentalen Raum voller Weite und Plastizität. Die dreitorige romanische Hauptfassade ist mit dem Kreuzgang verbunden. Ihr Mittelportal zieht bis heute die Aufmerksamkeit der Besucher in einen gewaltigen Bann. Mit seinen verschwenderisch verzierten Archivolten definiert das Portal der Seu Vella wie kein anderes die Arbeit der Lleidaner Schule.
Kreuzgang
Der fantastische Kreuzgang der Seu Vella wurde im 14. Jahrhundert fertiggestellt. Er zählt zu den größten Kreuzgängen der europäischen Gotik. Berühmt ist er jedoch nicht nur für seine Größe, sondern auch für den ungeheuren kompositorischen Reichtum seiner Ornamentik. Die kunstvolle Ausgestaltung der himmelstrebenden Fenster und der Formenreichtum seiner Kapitelle machen ihn zu einem der beeindruckendsten Orte der Seu Vella. Vier Galerien bilden den leicht trapezförmigen Kreuzgang. Von dessen insgesamt siebzehn gotischen Fenstern umgeben zwölf den zentralen Innenhof. Die fünf verbleibenden sind nach Südosten zur Stadt ausgerichtet und bilden einen überraschend schönen Aussichtspunkt.
Glockenturm
Bereits für seine Erbauer war der im 15. Jahrhundert fertiggestellte, 70 Meter hohe Glockenturm der Kathedrale eine Herausforderung. Mit seiner Wendeltreppe aus 238 schmalen Stufen ist er dies auch für heutige Besucher, die den Blick aus der Höhe über Lleida genießen möchten. Doch ein Aufstieg zur Spitze dieses extravaganten, achteckigen Kirchturmes lohnt sich: Nirgendwo findet man eine weitere Sicht auf die Stadt und die sie umgebende Landschaft. Auf dem Weg zur Turmspitze passiert man das Erdgeschoss, das von der Familie Safont zur Privatkapelle umgestaltet wurde, während die Obergeschosse des Turmes das Uhrwerk und die großen Kirchenglocken beherbergen. Bis heute sind zwei von insgesamt elf Originalglocken aus dem 15. Jahrhundert erhalten. Man hat sie Mònica und Silvestra getauft und ihnen im 20. Jahrhundert die Glocken Bárbara, Cristo, Marieta, Meuca und Purísima an die Seite gestellt.
Das Domkapitel
Das Domkapitel ist die Leitungskörperschaft der Kathedrale. Hier waren die Kleriker untergebracht, die für Fragen der Verwaltung und Liturgie der Seu Vella zuständig waren. Es wurde offiziell im Jahre 1168 gegründet, gemeinsam mit der Pia Almoina, einer wohltätigen Institution, die sich der Versorgung der Pilger und Armen der Stadt widmete.
Der Bau dieses Domkapitels, das auf katalanisch ‚canonja‘ heißt, zog sich von der zweiten Hälfte des 12. Jarhunderts bis ins 16. Jahrhundert. Die an den Kreuzgang anschließende canonja ist in mehrere Flügel gegliedert. In diesen fanden im Laufe der Zeit zum Beispiel die Capilla de Santa Maria la Antigua, die Pia Almoina, der Kapitelsaal, das Dekanat, die Bibliothek und das notarielle Archiv ihren Raum.
In der Blütezeit der Seu Vella waren all diese Räume reich dekoriert. Einen Eindruck von der ursprünglichen Pracht des Domkapitels, erhalten Besucher im Museu de Lledia: diocesà i comarcal. Hier sind die ursprünglich zur Pia Almoina gehörigen Wandmalerein noch heute zu bewundern. Auch die Reste der wunderbaren Balkone, die noch an der Fassade sichtbar sind und die Renaissancetüren des Kapitelsaals und der Kapelle lassen den ursprünglichen Reichtum der Dekoration des Domkapitels erahnen.
Bildhauerei
In den Jahrhunderten, in welchen die Seu Vella nicht als Gotteshaus, sondern als Militätlager oder Kaserne genutzt wurde, ging ein Großteil ihrer Kunstschätze verloren. Und doch vermitteln die bis heute erhaltenen Reste der usprünglichen Pracht einen Eindruck von der herausragenden künstlerischen Gestaltung dieser Kathedrale. Am augenscheinlichsten wird die Kunstfertigkeit der hier arbeitenden Bildhauer in den fantastischen Archivolten der Tore und Eingangsportale. Die Bildhauerkunst der Seu Vella weist Stilformen auf, die sowohl auf italienische als auch auf südfranzösische Einflüsse hinweisen. Aus diesen entwickelte sich hier ein eigenständiges ornamentales Repertoire, das kennzeichnend für die romanische Skulptur der Schule von Lleida wurde.
Die Kapellen
Die wenigen erhaltenen Reste der Malerei in der Seu Vella stammen aus einer sehr frühen Phase der Baugeschichte. Vermutlich schmückten sie die Mauern der Kirche schon vor ihrer Weihe im Jahr 1278. Verwendet wurde vor allem die Technik des Freskos. Ebenso wie im Falle der Bildhauerei sind auch hier französische Einflüsse offensichtlich. Allerdings weisen viele Elemente auch auf den Einfluss anderer künstlerischer Zentren Kataloniens hin.
Die am besten erhaltenen Malereien der gesamten Seu Vella sind in der kleinen Capella de Santa Margarida zu besichtigen. Datiert sind sie auf die Zeit um 1330. Die Darstellung zeigt eine Kreuzigungsszene, in welcher der Gründer der Kapelle, Guillem Soler, zu Füßen des Kreuzes kniet. Diese an der Frontseite der Kathedrale dargestellte Szene war Teil eines Gemälde-Ensembles, das sich in den Seitenkapellen fortsetzt, heute jedoch kaum noch zu erkennen ist.
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