Von Franzosen, Fliegen und dem Stadtpatron St. Narziss
Eigentlich ist ein Kuss auf den Löwenhintern der Statue in der Carrer Calderers das erste, was man tun sollte, wenn man Girona durch das große Tor betritt – das sagt zumindest der Volksmund. Wer mehr über die vielen Legenden wissen möchte, die sich um die alten Mauern der Stadt ranken, dem sei ein Spaziergang durch die Força vella, die alte Festung der Stadt aus dem 1. Jahrhundert vor Christus, ans Herz gelegt. Hier in unmittelbarer Nähe der Löwenstatue liegt die Basilika Sant Feliu, die gleich aus mehreren Gründen das Interesse der Besucher auf sich zieht: Erstens war Sant Feliu Gironas erste Kathedrale, die im zehnten Jahrhundert von der weit größeren Kathedrale de Santa Maria abgelöst wurde. Zweitens befindet sich hier der Sarkophag des Stadtpatrons St. Narziss, dem Protagonisten der berühmtesten Legende von Girona: 1286 stürmten die Franzosen die Stadt, plünderten die Kirchen und schändeten die sterblichen Überreste des Heiligen. Ob solch unerhörten Verhaltens sah dieser sich gezwungen einzugreifen und seinen Schutzbefohlenen den Rücken zu stärken. Zumindest scheint dies noch die naheliegendste Erklärung für das, was im Folgenden geschah: Aus dem Grab des Heiligen schwirrten mit einem Mal gigantische Fliegen, die sich mit grässlichem Summen und Brummen auf die Franzosen stürzten und schließlich das gesamte Heer auslöschten.
Die Kathedrale von Santa Maria und der Mörder mit dem gebrochenen Herzen
Seit etwa 1000 Jahren ist die „neue“ Kathedrale Santa Maria ein Wahrzeichen Gironas, das sich sogar mit einem besonderen Superlativ schmücken kann: Mit 22,98 Metern ist das gotische Kirchenschiff des Gotteshauses das weltweit breiteste seiner Art. Es birgt eine prachtvolle Monstranz und einen wunderschönen romanischen Wandteppich aus dem 11. Jahrhundert, in dem die Schöpfungsgeschichte in Bildern dargestellt ist. Doch die Kathedrale Santa Maria ist auch Schauplatz einer schauerlichen Geschichte, die der Schriftsteller Prudenci Bertrana Anfang des 20. Jahrhunderts in seinem Roman Josafat erzählt: Josafat ist der hünenhafte und entstellte Wächter der Kathedrale, dem sein abstoßendes Äußeres den Umgang mit anderen Menschen verleidet. Er trifft auf die lasterhafte Prostituierte Fineta, die sich, von düsterer Neugier getrieben, auf den missgestalteten Riesen einlässt. Josafat merkt bald, dass diese Liebe nicht reinen Herzens ist. Als er in rasendem Schmerz Fineta ermordet, sind die dunklen Mauern der Kathedrale seine einzigen Zeugen. Josafat verzweifelt an seiner Tat. Im Geiste bleibt er auf ewig ein Gefangener auf der Suche nach Läuterung in der labyrinthischen Kathedrale.
Ein antikes Spa oder Die Arabischen Bäder
Biegt man von der Kathedrale aus in die Carrer Ferran el Catòlic ab, sieht man den Cornelien-Turm (Torre Cornèlia) aus dem 11. Jahrhundert, der die Kathedrale mit der Stadtmauer und den Arabischen Bädern verbindet. Auch die Arabischen Bäder stammen aus dem 11. Jahrhundert und damit aus einer Zeit, als Girona schon gut zweihundert Jahre von der maurischen Besatzung befreit war. Dieser zeitliche Abstand zur arabischen Invasion hatte offensichtlich den Blick für die positiven Aspekte der Kultur des Gegners geschärft. So bezaubern die Arabischen Bäder mit maurischer Ästhetik, gleichen in ihrer Struktur jedoch eher Römischen Bädern. Ein Besuch in solch einem „antiken Spa“ mit Frigidarium, Tepidarium und Caldarium ist gerade für Kinder ein besonders spannendes Erlebnis.
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