Urlaub neu denken: Die Geschichte der Costa Brava

Josep Capellà ist Inhaber der Tourismusberatung DCB und Experte für die Entwicklung innovativer und nachhaltiger Tourismusprojekte in Katalonien. Zu den zentralen Arbeitsbereichen von DCB gehört die „Wiederaufwertung reifer Reiseziele“. Was es mit diesem merkwürdigen Begriff auf sich hat, weshalb an der Costa Brava schon in den 70er-Jahren alternative Tourismusmodelle erdacht wurden und warum das Örtchen L’Estartit seiner Zeit touristisch schon immer voraus war, erzählt er uns im folgenden Interview.

Die Anfänge des Tourismus in L’Estartit © Miquel Graells

 

Katalonien-Tourismus: Du lebst und arbeitest in L’Estartit, einem Küstenort an der Costa Brava, der heute ein ungewöhnlich variantenreiches Angebot für Tauch- und Naturtouristen bietet und damit auch wirtschaftlich sehr erfolgreich ist. Vor 30 Jahren schien L’Estartit hingegen touristisch vor dem Aus zu stehen. An dem Prozess, in dessen Verlauf der Ort sich von einem touristisch kaum noch attraktiven Badeort zu einem Zentrum des Tauch- und Wandertourismus in Katalonien gewandelt hat, warst du direkt beteiligt. Erzähl uns ein bißchen über die touristische Entwicklung von L’Estartit.

Josep Capellà: Um die Entwicklung L’Estartits von den 80er-Jahren bis heute richtig zu verstehen, ist es hilfreich, auch ein bißchen über die Anfänge des Tourismus hier zu wissen. L’Estartit war eines der ersten Reiseziele in Katalonien, die mit großen englischen Reiseanbietern wie  Wayfarers, HF Holidays und Ramblers zusammenarbeiteten. Das verdankt sich der Tatsache, dass ein Herr aus L’Estartit in den 50er-Jahren für eine Weile nach London zog, um sein Englisch zu verbessern und auch deshalb, weil er die Zukunft L’Estartits im Tourismus sah und in dieser Hinsicht etwas bewegen wollte. Offenbar hatte er viel Talent dafür, die richtigen Kontakte zu knüpfen, insbesondere mit den Pionieren der Charter-Gesellschaften.

 

KT: Welchen Einfluss hatten diese Charter-Gesellschaften auf die Tourismus-Entwicklung an der Costa Brava?

JC: Mitte der 50er-Jahre hatte sich die Wirtschaft in England von den Folgen des zweiten Weltkrieges erholt. Die Engländer hatten Arbeit, Einkommen und Ersparnisse genug, um ans Reisen zu denken. Zu dieser Zeit traten die Charter Gesellschaften ins Leben. Sie kauften Flugzeuge, die während des zweiten Weltkrieges als Lastflugzeuge gedient hatten, rüsteten sie um und flogen zunächst vor allem die französische Küste, Korsika und die Costa Brava an. Auf diese Art erschlossen sie einerseits interessierten Engländern neue Reiseziele und gaben andererseits den Piloten des zweiten Weltkriegs wieder Arbeit.

Die Costa Brava Ende der 50er-Jahre © Miquel Graells

KT: Wie sah denn der Tourismus an der Costa Brava damals aus?

JC: Die ersten Touristen an der Costa Brava kamen damals vor allem, um das Land zu entdecken. Sie kamen auch, um zu baden, aber nicht in erster Linie. Die Engländer sind ja begeisterte Birdwatcher, die Royal Society for the Protection of Birds zum Beispiel hat über eine Million Mitglieder. Die unberührten Küstenlandschaften der Costa Brava waren wohl für Besucher mit Interesse an Natur- und Vogelbeobachtung ein echtes Paradies. Jedenfalls berichteten sie so begeistert von ihren Erlebnissen, dass ab 1956/57 die ersten Charter-Reisen die Costa Brava erreichten.

Allerdings war das damals noch eine vergleichsweise romantische Art des Tourismus. Die Gäste, die zur Costa Brava kamen, wurden von den Reiseanbietern auf die verschiedenen Gemeinden der Costa Brava verteilt. Pro Ort waren es nicht mehr als 15 bis 20 Touristen auf einmal. Aber mit steigender Konkurrenz und dem permanenten Kampf um die niedrigsten Preise änderte sich dieses Modell. Um die Kosten zu senken, verzichteten die Reiseanbieter darauf, die Gäste auf möglichst viele Orte zu verteilen. Statt dessen brachte man möglichst viele Touristen  in einen Ort und dort nach Möglichkeit in einer großen Unterkunft unter. So war es möglich, zusätzliche Services wie Exkursionen und andere Aktivitäten zu niedrigen Preisen anzubieten.

 

KT: Sozusagen eine Industrialisierung des Tourismus?

JC: Ja, genau, und der Übergang zum Modell des preiswerten Strandtourismus, das an der Costa Brava von den 60er bis in die 80er-Jahre vorherrschend war. Immer größere Reisegruppen benötigten immer größere Hotels. Damals war praktisch die gesamte Küste als Bauland freigegeben. Um schnell eine entsprechende Infrastruktur aus dem Boden zu stampfen, gab es Vereinbarungen zwischen lokalen Unternehmern und Reiseanbietern. Diese liehen den Unternehmern vor Ort Geld für den Bau großer Hotels und erhielten im Gegenzug in den folgenden Jahren Zimmerkontingente zu günstigen Preisen.

Alles war auf schnelles Wachstum und niedrige Preise angelegt. So hatten zum Beispiel in den 60er-Jahren die großen Hotels in L’Estartit die Ausstattung von Drei-Sterne-Hotels, sie waren jedoch als Ein-Sterne-Hotel deklariert. Grund dafür war die Tatsache, dass zur Franco-Zeit die Kaufpreise für Hotels vom Staat vorgegeben wurden. Die Preise waren abhängig von der Kategorie und die Ein-Sterne-Hotels waren natürlich die günstigsten. Und da die Preisabmachungen mit den Reiseagenturen auf sehr preiswerte Hotels abzielten, wurden die neu gebauten Hotels als Hotels der preiswertesten Kategorie deklariert. In L’Estartit funktionierte dieses Modell bis in die Mitte der 80er-Jahre hinein. Danach ging es bergab.

Eines der ersten großen Hotels in L’Estartit © Miquel Graells

 

KT: Was war passiert?

JC: L’Estartit war ursprünglich ein „Pionier des Küstentourismus“ gewesen. In den 80er-Jahren waren dann jedoch noch wesentlich größere Hotels gefragt, als man zu Beginn des Tourismus-Booms gebaut hatte. Die großen Reiseanbieter zogen sich aus L’Estartit zurück und kooperierten nun mit wirklich großen Hotels, wie es sie zum Beispiel in Lloret de Mar gab. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war klar, dass wir ein neues Tourismusmodell brauchten.

 

KT: Das hört sich nach einer großen Herausforderung an. Ein komplett neues Geschäftsmodell erfordert ja auch ein komplettes Umdenken aller Beteiligten…

JC: In gewisser Weise stand dieses neue Tourismus-Modell zu jener Zeit schon seit einigen Jahren im Raume und war eine Konsequenz der politisch-historischen Ereignisse Ende der 70er-Jahre. Nach dem Tod Francos begann 1976 der Übergangsprozess des Landes in einen demokratischen Staat. Dieser Moment des politischen Wandels gab einer Bewegung von Bürgern Raum, die über die Entwicklung der Costa Brava besorgt waren. Die Bewegung nannte sich Debat Costa Brava und es engagierten sich vor allem junge, gebildete Leute aus den verschiedensten Bereichen: Architekten, Wirtschaftswissenschaftler, Soziologen, Ökologen.

Hier wurden die unterschiedlichsten Fragen aufgeworfen, vom Einfluss des Tourismus auf die Identität des Küstenabschnitts bis zur problematischen Frage der Wasserversorgung. Es war eine sehr offene Debatte, getragen von engagierten Bürgern, deren Interessen über rein wirtschaftliches Wachstum hinausging. Man fragte sich Dinge wie „Mögen wir die Costa Brava, so wie sie heute ist? Hat sie in den letzten Jahren gewonnen oder verloren? Wie möchten wir die Küste in der Zukunft sehen und was können wir dafür tun?“ Die Debat Costa Brava entstand in dem einzigen schmalen Zeitfenster, in dem eine solche Form der Auseinandersetzung mit diesem Problem möglich war. Noch einige Monate vorher wäre ein solches Zusammentreffen und der freie Meinungsaustausch durch die Diktatur erschwert oder unmöglich gemacht worden. Und schon wenig später war es aus anderen Gründen schwierig, eine solche Debatte zu führen. Da zog dann nämlich die aufkommende Demokratie die allgemeine Aufmerksamkeit mit ihrer Wahlkampfpolitik in ihren Bann.

Die Medas-Inseln – Wahrzeichen von L’Estartit ©Miquel Graells

 

KT: Und damals wurde also bereits ein neues Tourismus-Modell für die Costa Brava erdacht?

JC: Es wurde zumindest klar, dass gerade die jüngeren Menschen ein Tourismusmodell in Frage stellten, bei dem es ausschließlich darum ging, Reiseanbietern gerecht zu werden, ohne dabei die kulturelle Identität, die Natur und die Zukunft der Costa Brava im Allgemeinen mitzubedenken. 1979 gab es dann die ersten demokratischen Wahlen der Stadtverwaltungen. Bis dahin war es ja Franco, der diese Ämter nach eigenem Gutdünken verteilte.

In Torroella de Montgrí, einem Ort im Landesinneren, der eine Verwaltungseinheit mit L’Estartit bildet, gewann eine Gruppe von Menschen, die an der Costa Brava Debatte teilgenommen hatte und auf kulturellem Niveau interessiert war. Es waren vor allem junge Leute, die dort in die Stadtverwaltung einzogen, die nach der Diktatur zunächst in einem katastrophalen Zustand war und komplett umstrukturiert werden musste. 1980-81 wurden dann die ersten offiziellen Baupläne erstellt. 1976 durfte noch überall gebaut werden. Hätte sich der Ort so entwickelt, wie die damaligen Pläne das vorsahen,  dann hätte sich die Anzahl der touristischen Unterkünfte auf bis zu 120.000 versechsfacht, während gerade einmal  10% der Unterkünfte für die örtliche Bevölkerung vorgesehen waren.

 

KT: Was passierte also nach diesem Machtwechsel in der Stadtverwaltung von Torroella de Montgrí/L’Estartit?

JC: Wenn man ein neues Tourismusmodell etablieren will, führt der Weg dahin immer über die Stadtplanung bzw. Stadtentwicklung. So wurde 1983 zunächst der Bereich als Bauland ausgeschlossen, der heute als Naturpark unter Schutz steht, also insbesondere die kleinen Felsbuchten mit den 100 Meter hohen Steilwänden. Auf dieses Gebiet hatten damals natürlich schon verschiedene Unternehmer ein Auge geworfen. Als das Bauland plötzlich stark eingeschränkt wurde, war hier im Ort erst mal ganz schön was los. Es gab Leute, die den Bürgermeister und die Verantwortlichen für die Stadtplanung am liebsten umgebracht hätten. Aber die Entwicklung des neuen Tourismusmodells nahm hier ihren Ausgangspunkt.

 

KT: Wie sah dieses neue Tourismusmodell denn nun konkret aus?

Josep Capellà: Es war klar, dass wir weiterhin vom Strandtourismus leben mussten. Um dies möglich zu machen und gleichzeitig eine neue Art des Tourismus zu etablieren, mussten wir den Wert dessen hervorheben, was in L’Estartit einzigartig war. Und die Küste von L’Estartit hat ein völlig einzigartiges Merkmal, nämlich die ihr vorgelagerten Medes-Inseln. Der Meeresforscher Jacques-Yves Cousteau war schon 1956 zum Tauchen hier, weil er um die Qualität der Meeresgründe rund um die Medas-Inseln wusste. Und bereits 1971 hatte es von staatlicher Seite einen Vorschlag gegeben, aus dem Gebiet ein Naturschutzgebiet zu machen. L’Estartit war also durchaus ein Ort mit besonderen Qualitäten, die aber bis zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht ins rechte Licht gesetzt worden waren.

1956: Jacques-Yves Cousteau an der Costa Brava

 

KT: Wie ist man vorgegangen, um das zu ändern?

JC: Einerseits haben wir L’Estartit weiterhin als Strandreiseziel verkauft und zu diesem Zweck die Infrastrukturen verbessert: Die Wasserqualität, die Kläranlagen, die Sauberkeit allgemein, die Straßenbeleuchtung, die Grünanlagen – alles, was ein Reiseziel attraktiver macht. Dabei haben wir den Tourismus auf bestimmte Bereiche konzentriert und andere unberührt gelassen, so dass die Natur als unsere wichtigste Ressource sich wieder erholen konnte. Gleichzeitig haben wir die Elemente in Szene gesetzt, welche die Schwestergemeinden L’Estartit und Torroella einzigartig machen, nämlich die Medes-Inseln einerseits und den historischen Stadtkern Torroellas und seine mittelalterliche Burg andererseits.

 

KT: Und von diesen einzigartigen Elementen ausgehend habt ihr dann das touristische Angebot entwickelt?

JC: Ja genau. Wir haben schon 1983 begonnen, zusätzliche Aktivitätsangebote für Strandtouristen zu schaffen. So haben wir damals schon Wander- und Fahrradwege markiert und diese in Karten eingezeichnet. Bereits im nächsten Jahr benötigten wir 5000 Kopien dieser Wanderkarten. Wir dachten damals „Also schön, wenn hier jemand wandern oder spazieren möchte, dann kann er diesen Hügel hochlaufen und hat eine großartige Aussicht, und wenn die Leute danach Lust haben, baden zu gehen, dann ist da unten eine wunderbare kleine Bucht.“ So haben wir angefangen, und die Nachfrage hat sich gesteigert. Wir haben festgestellt, dass auch die Strandtouristen zusätzliche Angebote nutzen, wenn man sie ihnen zur Verfügung stellt.

Tauchen in L’Estartit © Patronat de Turisme Costa Brava

Der zweite wichtige Punkt war es, die Medes-Inseln als Meeresreservat unter Schutz zu stellen. Als dies von offizieller Seite genehmigt wurde, fingen wir an, Informationen über die Wichtigkeit des Naturschutzes zu verbreiten. Gleichzeitig erholte sich die Flora und Fauna der Medes-Inseln und wurde für den Tauchtourismus immer interessanter. So bemerkten immer mehr Unternehmer – auch die, die der Naturschutzidee zunächst abgeneigt gegenüber standen, dass dieses neue Naturschutzgebiet ihnen Geld brachte. 2015 brachten die Aktivitäten im Bereich der Medes-Inseln, also Tauchen, Schnorcheln, Kajak, Meeresexkursionen etwa 12 Millionen Euro  ein und garantieren gleichzeitig 200 Arbeitsplätze. Das sind 7% der Gesamtbevölkerung von L’Estartit.

Das dritte Schlüsselelement für die Entwicklung des neuen Tourismusmodells war die Organisation einer klassischen Konzertreihe in Torroella de Montgrí im Sommer, die zunächst vor allem wohlhabende Besucher aus Barcelona mit kulturellem Interesse anzog. Das Festival de Musica de Torroella de Montgrí gehört heute zu den bedeutenden Sommerveranstaltungen Kataloniens. Es bot uns die Möglichkeit, der European Festival Association beizutreten. Das wiederum bedeutete, dass alle Fernsehsender und die großen Zeitungen während der Konzertreihe Berichterstatter nach Torroella schickten – ein fantastisches Marketing für den Ort. Vor allem die beiden letzten Punkte halfen sehr dabei, die örtliche Bevölkerung davon zu überzeugen, dass ein anderes Tourismusmodell möglich war.

 

KT: Wie hat sich der Tourismus denn von dort ausgehend entwickelt?

JC: Die Aktivitäten rund um die Medes-Inseln hatten einen Multiplikator Effekt. Es entstanden immer mehr Tauchzentren – bis zu einem Punkt, wo wir die Tauchgänge zugunsten der Erhaltung des Gebietes einschränken mussten. Also begann man, andere Aktivitätsangebote zu entwickeln, wie Schnorcheln, Kayak etc. Um nachhaltig zu wirtschaften, konnten wir also auch hier nicht einfach nur auf eine kontinuierliche Erhöhung der Besucherzahlen setzen. Der springende Punkt war, ein weit gefächertes Angebot zu entwickeln, das es den Besuchern ermöglicht, die verschiedenen Facetten der Region zu erkunden und kennenzulernen. Ich glaube, heute  ist L’Estartit eines der Reiseziele der Costa Brava mit den variantenreichsten Aktivitätsangeboten für Wasser- und Meeressport.

Kayak-Tour bei L’Estartit © Oficina de Turisme de l’Estartit

 

KT: Der Prozess der Tourismusentwicklung in L’Estartit geht also von einem Modell eines auf Badeurlaub konzentrierten Massentourismus zu einem sehr breit gefächerten Angebot von Wassersport über Wandern und Radfahren bis zum Kulturtourismus?

JC: Ja, genau. Und um sicherzustellen, dass es so weitergeht, hat die Stadtverwaltung in den 90er-Jahren darauf gedrungen, den Naturpark Montgrí, Medes-Inseln und Baix-Ter einzurichten, damit nicht ein Regierungswechsel die gesamte bislang geleistete Arbeit zunichte machen könnte. Das Schlüssel-Element hinter der gesamten touristischen Entwicklung sind die Medes-Inseln.

 

KT: Wie kam es eigentlich, dass der Wert der Medes-Inseln damals endlich erkannt wurde?

JC (druckst ein bißchen, bevor er antwortet): 1982 kam ein Dekret zur Korallenfischerei heraus. Die war bis dahin verboten und sollte nun an den Medes-Inseln erlaubt werden. Die Fischer, die Tauchzentren und die Stadtverwaltung protestierten dagegen und forderten ein Verbot und gleichzeitig, dass ein Meeres-Reservat eingerichtet würde. Gleichzeitig bestätigten mehrere Wissenschaftler die Bedeutsamkeit der Medes-Inseln als Habitat für unterschiedliche Arten.

Ich selber tauche gern, ich habe immer hier in L’Estartit getaucht und ich hatte über Tauchtourismus und Naturparks gelesen. Mit all diesen losen Fäden im Kopf bin ich damals nach Aix-en-Provence gefahren, wo es ein bedeutendes Zentrum für Touristische Studien mit einem sehr guten Dokumentationszentrum gab. Ich suchte also Information über Tauchen und Tourismus und Tauchtourismus und sah verschiedene Beispiele von Naturparks in aller Welt. Und damals war für mich alles klar. „Wenn wir einen Tourismus etablieren wollen, dessen Basis die Einzigartigkeit und die Identität der Region ist, dann sind die Medes-Inseln der Schlüssel dazu.“ Das war der Ausgangspunkt.

 

KT: Wie sieht L’Estartit heute aus? Was ist mit den  „Hotelklötzen“, die das alte Tourismusmodell repräsentieren? Die kann man ja nun nicht einfach aus der Welt schaffen?

JC: Das ist richtig. Um das Stadtbild nachhaltig zu verändern, braucht man wohl 30 oder 40 Jahre. In diesem Moment ist L’Estartit noch sozusagen in einem schizophrenen Zustand. Einerseits bewerben wir den Ort als Reiseziel für Wander- und Tauchtouristen und wir haben die entsprechenden hochwertigen Angebote. Und wir arbeiten an der Regeneration wertvoller Landschaftsräume, dafür ist das Auengebiet La Pletera an der Mündung des Flusses Ter nur ein Beispiel. Andererseits ist die Architektur in weiten Teilen noch ein Relikt des alten Tourismusmodells. Aber gerade jetzt gibt es eine Menge Investitionen, um dies  zu ändern: Es wird eine neue Strandpromenade gebaut und der Hafen und das historische Zentrum erhalten mehr Fußgängerzonen und werden insgesamt schöner gestaltet. Ich denke, der Imagewechsel, an dem wir seit Jahrzehnten arbeiten, wird in den nächsten vier oder fünf Jahren auch auf architektonischer Ebene sichtbar werden.

 

Über Josep Capellà:

Josep Capella©DCB

Josep Capellà lebt seit seiner Kindheit in der Gemeinde Torroella de Montgrí-L’Estartit. In den 80er-Jahren hatte er dort verschiedene Ämter inne. Er war unter anderem Stadtrat und stellvertretender Bürgermeister zu einer Zeit, als das Modell des „traditionellen Strandtourismus“ für L’Estartit aufhörte zu funktionieren. Während der Suche nach einem neuen Weg, den Ort wieder touristisch attraktiv zu machen, bemerkte Josep, dass es nicht seine Berufung war in einer einzigen Gemeinde zu arbeiten.

Stattdessen begeisterte ihn die Erforschung neuer touristischer Ansätze, die Arbeit an Projekten und die Möglichkeit, sein Wissen mit möglichst vielen Menschen zu teilen. Nach seiner Zeit in der Stadtverwaltung von L’Estartit war Josep deshalb viele Jahre als touristischer Berater unterschiedlicher Gemeinden an der Costa Brava tätig. Vor acht Jahren gründete er mit seiner Frau Inma Balbé die Tourismusberatung DCB. Die Entwicklung des neuen Tourismusmodells für L’Estartit hat sich im Nachinein als das Fundament seiner späteren Tätigkeit als Tourismusberater erwiesen.

 

 

Eva Hakes: