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Lleida: Von Riesen, Drachen und Schnecken

In stiller Anmut thront Lleida südlich der Pyrenäen über dem Fluss Segre. Um die Stadt kennenzulernen, beginnen wir mit den weniger erstaunlichen Fakten und arbeiten uns dann langsam vor ins Terrain des Wundersamen:

1.) Die kulinarische Spezialität Lleidas sind gegrillte Schnecken mit Aioli.
2.) Wahrzeichen und beliebtes Maskottchen der Stadt ist ein grüner Drache namens Lo  Marraco. Er wohnt in einer Halle der Templer-Festung Gardeny.
3.)Im Castell del Rei von Lleida schwor im Jahr 1214 der katalanische Adel dem damals gerade sechsjährigen Jakob I und späteren Jakob dem Eroberer die Treue, was dieser rückblickend als schlechten Scherz verbuchte.
4.) Gravuren im Kreuzgang der alten Kathedrale von Lleida legen nahe, dass die leridanischen Mönche des 12. Jahrhunderts gerne spielten.
5.) Die berühmteste Marienstatue der Stadt überlebte einen gezielten Hammerwurf ihres Urhebers so gut wie unbeschadet, jedoch verfärbte sich ein Teil ihrer hölzernen Stirn als Folge des Einschlags zu einem blauen Fleck. Der Hammerwerfer starb an den Folgen seiner eigenen Untat.

Wer Lleida kennenlernen möchte, sollte sich etwas Zeit nehmen. Nicht etwa deshalb, weil der Ort groß und unüberschaubar wäre. Mit knapp 140.000 Einwohnern ist Lleida eine eher beschauliche Provinzhauptstadt. Als solche will sie in ruhigem Rhythmus erkundet werden, der Zeit lässt all die kleinen Geheimnisse, alten Geschichten und hundertjährigen Traditionen zu entdecken, die hinter den historischen Mauern verborgen liegen.

Auf dem Glockenturm

Perfekter Ausgangspunkt für eine Erkundungstour durch Lleida ist der Glockenturm der alten Kathedrale Seu Vella. Von hier aus schweift der Blick weit über die Dächer der Stadt und die fruchtbaren Gärten am Fluss Segre. Der Aufstieg kostet ein wenig Mühe. Nach einem ersten Abschnitt im Fahrstuhl bleiben noch 238 Stufen einer Wendeltreppe zu bewältigen. Oben angekommen empfangen uns zwei riesige Kirchenglocken, die letzten Überlebenden von insgesamt elf Originalglocken der Seu Vella. Man hat ihnen die Namen Mònica und Silvestra gegeben und ihnen im 20. Jahrhundert fünf Geschwister zur Unterstützung an die Seite gestellt, welche die schönen Namen Bárbara, Cristo, Marieta, Meuca und Purísima tragen.

Seu Vella: Spuren der Vergangenheit

Der Hügel der Seu Vella hat eine bewegte Geschichte. Aufgrund seiner hervorragenden strategischen Position war er seit Menschengedenken bewohnt und es ist höchst wahrscheinlich, dass unter den heutigen Gebäuden nicht nur das alte maurische Lárida ruht, sondern auch das römische Ilerda und das iberische Iltirta. In jüngerer Zeit diente die Seu Vella einschließlich der gotischen Kathedrale als Militärquartier und erst seit 1948 wird sie Stück für Stück restauriert.
Der Gesamtkomplex umfasst neben dem Glockenturm die Kathedrale mit ihrem Kreuzgang, das Schloss Castell del Rei, die Reste der alten Stadtmauer und den Park Santa Cecília, wo die Leridaner gerne joggen und Fahrrad fahren.

Seu Vella © Ramon Gabriel

Eine Führung mit Steinmetz und Köchin

Bei unserer Besichtigung werden wir von zwei Guides der Seu Vella begleitet, deren Spezialität Führungen für Familien sind. Da ist einerseits Roc, der mittelalterliche Steinmetz, der uns in die Geheimnisse der Architektur der Kathedrale einweiht und La Gordana, die Köchin der kirchlichen Armenküche. Sie zeigt uns, wie man ungesäuertes Brot herstellt. Dies war das Grundnahrungsmittel, mit dem man die Armen ernährte, erfreulicherweise gab es dazu in der Regel aber auch Gemüse und Wein.

Die Madonna mit dem blauen Fleck

Die Porta dels Apòstols (das Tor der Apostel) ist der beeindruckendste Zugang zur Kathedrale. Neben den bärtigen Aposteln beherbergt sie Propheten sowie singende und musizierende Engel, die Teil einer Szene des letzten Gerichts sind. Die meiste Aufmerksamkeit  zieht jedoch eine Marienstatue mit Geschichte auf sich. Zwar befindet sich das Original der sogenannten Virgen del Parteluz in der neuen Kathedrale  Seu Nova, ihre Legende findet jedoch in der alten Kathedrale eine großartige Kulisse. Es heißt, dass der Bildhauer, der beauftragt war, die Statue anzufertigen, verreisen musste und die Arbeit deshalb einem seiner Lehrlinge überließ. Bei seiner Rückkehr fand er das Gesicht der kleinen Jungfrau so schön und perfekt gearbeitet vor, dass er in einem Anfall von Eifersucht einen Hammer nach der Statue warf. Dieser prallte wie ein Bumerang von der Stirn der Heiligen Jungfrau ab und traf den eitlen Bildhauer. In Folge des Stoßes verfärbte sich jedoch das Holz an der Stirn der Jungfrau, weshalb die Statue als „Madonna mit dem blauen Fleck“ in die Geschichte eingegangen ist.

 

Die gotische Kathedrale: Spielzimmer für Mönche und Militärquartier

Ein Blick in die weitläufige gotische Kathedrale überrascht: In Folge der langjährigen Nutzung des Gotteshauses als Militärquartier gibt es kaum Statuen und Gemälde. Statt dessen treffen wir auf weitgehend ungeschmückte Kirchenschiffe, deren Wände zur Seuchenvorbeugung weiß gekalkt wurden.
Dafür macht der riesige gotische Kreuzgang, der zu Füßen der Kirche liegt, einen einladenden und irgendwie fröhlichen Eindruck. Er war zu den Gärten und Mauern der alten Stadt hin offen und diente den Mönchen des 12. Jahrhunderts offenbar als eine Art Wohnzimmer und zwangloser Treffpunkt. Allein beobachtet von den Blumen, Pflanzen und fantastischen Gestalten, die aus den Säulenkapitellen der Kreuzgänge wuchsen, gaben sich die Mönche hier dem Alquerque, einer Art Mühlespiel hin. Davon legen die in die Mauern des Kreuzgangs gravierten Spielbretter Zeugnis ab.

Vom König, der dem Adel misstraute

Das alte Castell del Rei hingegen liegt in Ruinen, allein ein Teil des Südostflügels ist erhalten geblieben. Seine Geschichte hingegen bleibt lebendig und wird dem Besucher mit Hilfe von Erklärungstafeln und audiovisuellen Installationen näher gebracht. Vom 12.-14. Jahrhundert ein Königssitz, erlebte das Schloss einen seiner bedeutsamsten Momente als der katalanischen Adel im Jahr 1214 dem damals gerade sechsjährigen Jaume I, el Conqueridor (Jakob I, der Eroberer) die Treue schwor. Dieser wurde zum katalanischen Volkshelden und einem der bedeutendsten Monarchen des spanischen Mittelalters, seine erfolgreiche Herrschafte stützte sich jedoch vor allem auf die Städte und das Bürgertum. Dem Adel gegenüber hegte Jakob hingegen ein tiefes Misstrauen, das sich aus Kindheitserfahrungen jenseist des offiziellen Treueschwurs speiste.

Von Taufbecken, Bierbrauerei und der Kunst, Teppiche zu weben

Viele der Kunstschätze aus dem Castell del Rei und der alten Kathedrale befinden sich heute im Museum von Lleida  (Museu de Lleida Diocesà i Comarcal), das für Familien besonders interessante Programme bereit hält. Auf mehr als 7000m2 taucht man hier in die Geschichte der Stadt ein. Dabei stößt man auf interessante Objekte aus alle Lebensbereichen, vom frühchristlichen Taufbecken aus dem 8. Jahrhundert über den ersten Behälter, in dem in Katalonien Bier hergestellt wurde oder ein maurisches Schachspiel aus Quarzstein. Im Rahmen der Familienführungen werden all diese Ausstellungsstücke in Ratespiele und spannende Aktivitäten eingebaut: Die Besichtigung der flämischen Wandteppiche wird hier zum Beispiel mit dem Weben eines eigenen Teppichs im Webstuhl des Museums kombiniert – und ermöglicht so einen völlig neuen Blick auf die Kunstfertigkeit der flämischen Meister.

Der Drachen der Stadt und ein unterirdisches Gefängnis

Unsere Besichtigungstour führt uns nun von der Seu Vella durch die calle Cavallers hinab ins historische Zentrum. Eine Bummel durch die Hauptstraße (carrer Major) verführt mit einer Vielzahl unterschiedlicher Geschäfte und traditionsreicher Konditoreien zum schlemmen und Shoppen und erlaubt außerdem einen Blick auf Lleidas modernistische Architektur.
Zu den wichtigen Monumenten des Stadtzetrums gehört La Paeria (das Rathaus), das auch offizieller Sitz des beliebten städtischen Untiers Lo Marraco ist. Unterhalb des Rathauses befinden sich die Ruinen eines alten Gefängnisses, dessen Besichtigung uns einige Schauer über den Rücken jagt. Wie vergessene Nachrichten aus einer fernen Vergangenheit sind hier die Gravuren sichtbar geblieben, welche Gefangene des 16. Und 17. Jahrhunderts in den Wänden hinterlassen haben.

Tipp: Das Gefängnis unter dem Rathaus ist Teil der Route „Lleida Secreta“ (Geheimes Lleida), die zu den spannendsten unterirdischen Orten der Stadt führt. Dazu gehört neben dem Gefängnis die Kirche von Sant Joan, das Untergeschoss des städtischen Auditoriums Enric Granados und die Reste der alten Stadtmauer in der Straße Anselm Clavé.

Schloss Gardeny: Auf dem Spuren der Templer

All jenen, die den Geheimnissen des Templerordens auf die Spur kommen wollen, sei ein Besuch im Schloss Gardeny ans Herz gelegt. Als eine der großen Templerfestungen Kataloniens ist sie Teil der Templerroute Domus Templi und ein Ort, an dem die Vergangenheit dank audiovisueller Installationen und Informationstafeln lebendig wird.

Gardeny © Juan José Pascual

La Casa dels Gegants – Das Haus der Riesen

Einen Besuch wert ist auch die Casa dels Gegants (Haus der Riesen) von Lleida. Es ist die Heimat der riesigen Figuren, die als Repräentanten der hiesigen Folklore auf keinem Stadtfest fehlen. Zu diesem Anlass fahren die historischen und fantastischen Gestalten, welche die Identität der Stadt geformt haben, auf bunten Karossen durch die Stadt. Zu ihnen gehören nicht nur die beiden Riesen, sondern auch Donya Violant und der Infant Berenguer, Jakob I, der Eroberer und Donya Leonor, die Chinesischen Riesen, der Maurische König und Donya Zobeida sowie die Pharaonin Kleopatra mit dem römischen Imperator Marcus Antonius.

Die Camps Elisis von Lleida und die Gärten von Segrià

Die Camps Elisis (Elysienfelder) von Lleida sind Gärten im französischen Stil im Viertel Cappont am Riu Segre. Ein Besuch hier lohnt sich das ganze Jahr über, denn die Gegend eignet sich hervorragend zum Spazieren und Rad fahren zwischen Bäumen und Beeten. Wem der Sinn danach steht, macht Picknick an einem kleinen Pavillon, Brunnen oder einer zauberhaften Statue und genießt die entspannte Atmosphäre des Ortes, der zum Müßiggang wie geschaffen ist.
Im Mai allerdings geht es hier hoch her, denn der Mai ist der Monat des Aplec del Caragol, einem Frühlingsfest der besonderen Art, dessen kulinarische Spezialität Schnecken in allen nur denkbaren Variationen sind. 12.000 Tonnen Schnecken werden bei diesem dreitägigen Event verzehrt, der als „Fest von nationalem touristischen Interesse“ klassifiziert ist. Ganz Lleida ist dann auf den Camps Elisis unterwegs und isst, trinkt und feiert als ob es kein Morgen gäbe. Feiern Sie doch mit!

Camps Elisis – Lleida © Miguel Raurich

Die Freuden der Stille und der Sternenhimmel

Während die Stadt Lleida mit Geschichte, Geschichten und farbenfroher Folklore die Besucher in ihren Bann zieht, lockt die Umgebung mit unberührter Natur und der sagenhafter Stille eines klaren Himmels über einsamen Landen. Hobbyastronomen, Sternengucker und Freunde der Nacht werden ihre helle Freude bei einem Besuch des Observatoriums am Montsec haben. Ausgezeichnet als Starlight Tourist Destination bietet der Montsec mit seiner Sternwarte und dem Parc Astronomic Montsec (Astronomie Park Montsec) nicht nur beste Aussichten in den von Lichtverschmutzung unberührten Sternenhimmel. Große und kleine Besucher haben hier auch die Möglichkeit auf spielerische Weise viel über Astronomie, das Universum und die Sterne zu lernen.

Montsec © José Luis Rodríguez

Exkursionen für Freunde des Gefiederten Volkes

Birdwatcher aufgepasst: Mit unterschiedlichsten intakten Naturräumen, bietet die Provinz Lleida einer Vielzahl seltener Vögel eine Heimat.
Am Lago de Ivars y Vila-Sana leben heute etwa 200 verschiedene Arten von Wasservögeln. Wer Geduld und ein gutes Fernglas hat, entdeckt hier nicht nur auf Graureiher und Kormorane, sondern auch auf seltene und bedrohte Arten, wie das Purpurhuhn oder die Rohrweihe. Auch für viele Zugvögel ist der See ein wichtiger Ruhepunkt auf ihrer Reise.
Verschiedene spannende Workshops am See bringen Kindern und Familien den Lebensraum am See näher: Hier kann man lernen Spuren zu lesen, herausfinden welche Nester und Höhlen von welchen Tieren bewohnt werden und die Heilpflanzen der Region und ihre Anwendung kennenlernen.

Info:

Estany Ivars 

Embassament de Utxesa

Die Wanderrouten am Stausee von Utxesa und den Ufern des Segre bieten hervorragende Möglichkeiten Störche zu beobachten. Die restaurierte Mühle am See beherbergt das Evolutionsmuseum. Info unter: www.aralleida.cat

Espai Natura d’Interès Biològic Aiguabarreig

Wo Ebre, Segre und Cinca zusammenfließen ist ein einzigartiger Naturraum entstanden, dessen pintoreske Landschaften zum Schauen und Staunen einladen. Kleine Inseln, Flusswälder, Reisfelder, Bäche und Obstgärten bilden nicht nur eine herrliche Kulisse für Wanderungen und Radtouren, die vielfältige Landschaft bietet auch einer Vielzahl unterschiedlicher Tiere einen Lebensraum: Fledermaus, Hirsch, Fischotter und Spanischer Steinbock sind nur einige von ihnen. Infos unter: www.catalunya.com/aiguabarreig

Segre © Miguel Raurich

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